Missbrauch in der Kindheit Höhere funktionale Konnektivität bei Erwachsenen gefunden
Zwischen 5 % und 15 % aller Kinder sind sexuellem Missbrauch ausgestzt oder müssen körperliche oder emotionale Misshandlungen ertragen. Erfolgen diese traumatisierenden Erfahrungen während sensibler neurologischer Entwicklungsphasen, besteht ein erhöhtes Risiko für psychiatrische Erkrankungen im Erwachsenenalter.
Eine Gruppe australischer Hirnforscher hat untersucht, wie die schlimmen Erlebnisse in der Kindheit das intrinsische funktionelle Konnektom, also die Gesamtheit aller Verbindungen im Gehirn eines Menschen, beeinflussen. Hierfür durchliefen 768 erwachsene Studienteilnehmer strukturierte psychiatrische Interviews und machten Angaben zu Häufigkeit und Schwere von negativen Erfahrungen in Kindheit und Jugend.
Risiko für psychiatrische Erkrankung fünffach höher
Parallel dazu ermittelten die Wissenschaftler den Grad der funktionellen Konnektivität mittels fMRT*. Auswertbar waren die Ergebnisse von 647 Probanden. Das Durchschnittsalter in der Kohorte lag bei 33 Jahren.
Teilnehmer, die Missbrauch oder Misshandlungen erlebt hatten, waren etwas älter als diejenigen ohne solch traumatisierende Erfahrungen. Sie waren häufiger weiblich und verfügten über ein eher geringeres Bildungsniveau. Bei entsprechender Anamnese war die Wahrscheinlichkeit für eine psychiatrische Erkrankung um nahezu das Fünffache erhöht. Auch Stress- und Angstsymptomatik waren ausgeprägter.
Mit Blick auf die funktionelle Konnektivität zeigten sich zwischen den Teilnehmern mit traumatisierenden Erfahrungen vor dem 18. Lebensjahr und denen ohne derartige Erlebnisse in diesem Alter kaum Unterschiede. Bei Personen mit und ohne Missbrauch im Alter unter 13 Jahren hingegen fiel eine signifikant höhere Konnektivität auf.
Die strukturellen Unterschiede fanden sich im Wesentlichen in den somatomotorischen, dorsalen und ventralen Netzwerken für Aufmerksamkeit sowie zwischen diesen Bereichen und der exekutiven Kontrolle. Die Effekte auf die Hirnstrukturen waren von der Art und Häufigkeit der belastenden Erlebnisse sowie von aktuellen psychiatrischen Symptomen unabhängig.
Wie die Autoren anmerken, zeigen die fMRT-Muster eine gestörte Verarbeitung von Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Zusammen mit genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen könnte dies das Risiko für psychiatrische Erkrankungen erhöhen.
* funktionelle Magnetresonanztomografie
Quelle: Korgaonkar MS et al. JAMA Netw Open 2023; 6: e2253082; DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.53082