Lipidmanagement nach Koronarsyndrom In Deutschland werden LDL-C-Zielwerte seltener erreicht als in den Nachbarländern
Die aktualisierten Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) von 2019 empfehlen bei sehr hohem kardiovaskulärem Risiko einen LDL-Cholesterin(LDL-C)-Zielwert von < 55 mg/dl (< 1,4 mmol/l). Zudem soll der LDL-C-Ausgangswert um 50 % gesenkt werden. Um auf den Zielwert zu kommen, sollen Behandelnde ein Statin zunächst bis zur höchsten tolerierten Dosierung einsetzen und bei Nichterreichen des individuellen LDL-C-Zielwerts eine oder mehrere lipidsenkende Therapien dazu kombinieren. Wie gut dies im Behandlungsalltag klappt, hat ein Team um Annika Reuser vom Universitätsklinikum Leipzig untersucht: Bereits im Jahr 2018 hatten sie Kardiologinnen und Kardiologen aus sechs europäischen Regionen (Italien, Frankreich, Niederlande, Spanien, UK, Deutschland) online zum Lipidmanagement bei akutem Koronarsyndrom befragt. In 2022 hat das Team die Befragung erneut durchgeführt.
In Deutschland wurde der Lipidstatus in beiden Jahren in über 90 % der Fälle bestimmt. Während LDL-C, HDL-C und Triglyceride ähnlich oft gemessen wurden, bestimmte man Lipoprotein (a) in 2022 mit 33 % signifikant häufiger als in 2018 (14 %). Die LDL-C-Serumspiegel in der akuten Phase der Erkrankung lagen in 2022 bei 131 mg/dl und damit niedriger als in 2018 (151 mg/dl). Bei Entlassung erhielten Betroffene in 2022 etwas häufiger eine lipidsenkende Therapie als in 2018 (99 % bzw. 96 %). Vor allem niedrig-/mitteldosierte Statine wurden in 2022 gegenüber 2018 seltener verschrieben (22 % bzw. 44 %). Häufiger verordnet wurde hingegen die Kombination aus einem Statin mit Ezetimib (22% der Fälle in 2018, 33% in 2022). Im Gegensatz zu 2018 verordneten Kardiologinnen und Kardiologen in 2022 auch andere lipidsenkende Therapien wie einen PCSK9-Inhibitor oder Bempedoinsäure.
Die LDL-C-Werte sanken im Verlauf der lipidsenkenden Therapie ab, wobei sie in 2022 niedriger waren als in 2018. Zwar erreichten in 2022 im Vergleich zu 2018 beim 2. Follow-up mehr Patientinnen und Patienten das LDL-C-Ziel von < 55 mg/dl (7 % bzw. 3 %), insgesamt bleibt die Senkung des LDL-C jedoch unzureichend, so das Autorenteam. Vor allem, wenn man es im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern sieht: Dort sanken die LDL-C-Werte stärker ab, wodurch mehr Patientinnen und Patienten einen LDL-Zielwert < 55mg/dl erreichten (2018: 16 %, 2022: 38 %).
Quelle: Reuser A et al. Dtsch Med Wochenschr 2024; 149: e84-e91; doi: 10.1055/a-2332-9120