Hautaufhellende Cremes Individualität oder gesellschaftlicher Druck?

Autor: Dr. Susanne Gallus

Es gibt viele verschiedene Hauttöne. Leider wird ein hellerer Teint oft als wertiger angesehen, weswegen Menschen mitunter drastisch in ihre Hautgesundheit eingreifen. Es gibt viele verschiedene Hauttöne. Leider wird ein hellerer Teint oft als wertiger angesehen, weswegen Menschen mitunter drastisch in ihre Hautgesundheit eingreifen. © Prostock-studio – stock.adobe.com

Aufhellende Cremes sind umstritten, aber bei People of Color weit verbreitet. Ist es Aufgabe der Ärzteschaft, über solche Produkte aufzuklären? Wann werden ethische Grenzen überschritten? Tatsache ist: Die Nachfrage nach den Kosmetika trifft auf ein gefährliches Angebot im internationalen Handel.

Hautaufhellende Kosmetika werden von Millionen Menschen weltweit genutzt. Die Geschlechterverteilung und das allgemeine Nutzungsverhalten variieren dabei lokal. So ist z. B. davon auszugehen, dass insbesondere in Subsahara-Afrika je nach Region 25–70 % der Frauen ihre Haut regelmäßig mit depigmentierenden Topika behandeln, sagte Dr. Antoine Petit, Hôpital Saint-Louis, Paris.

Obwohl viele Anwenderinnen und Anwender anfangs mit den Ergebnissen zufrieden sind, dauert es bei Topika für die intensive Depigmentierung oft nur Monate bis wenige Jahre, bis es zu kutanen oder sogar systemischen Komplikationen kommt, warnte der Dermatologe. Produkte, die besonders stark aufhellen sollen, enthalten mitunter ätzende Inhaltsstoffe. Außerdem findet man in vielen der im Ausland käuflichen Cremes Steroide wie Clobetasol. Mitunter kommen dadurch Mengen von mehreren 100 g pro Monat zusammen, was schwere systemische Nebenwirkungen zur Folge haben kann (siehe Kasten).

Inhaltsstoffe könnten evtl. das Hautkrebsrisiko erhöhen

Des Weiteren besteht gemäß einer Arbeit aus dem Senegal die Befürchtung, dass die Aufheller das Risiko für Plattenepithelkarzinome erhöhen. Der Mechanismus dahinter ist noch unklar. Es könnte sein, dass die natürliche Photoprotektion gehemmt oder eine Immunsuppression induziert wird, erläuterte Dr. Petit. Möglicherweise trägt Hydrochinon, ein weiterer häufiger Inhaltsstoff der aufhellenden Substanzen, zur karzinogenen Wirkung bei. Es sei daher auf individuellem Level wichtig, Menschen zu den Risiken der Kosmetika aufzuklären und in der Gesellschaft das Bewusstsein für diese Problematik zu schärfen, so der Referent.

Zu viel Steroid auf der Haut

Der übermäßige Gebrauch steroidhaltiger Cremes hat teilweise schwerwiegende Folgen. Wenn man nichts über die Anwendung der Topika weiß, kann einen das in die Irre führen. Zu den Komplikationen gehören:

  • Dyschromien (inkl. postinflammatorische Hyperpigmentierungen)
  • Infektionen (lokal und systemisch), Immunsuppression
  • Hautatrophie
  • Hirsutismus
  • akneiforme und rosazeiforme Dermatitiden
  • Stoffwechselstörungen (Nebenniereninsuffizienz, Diabetes)
  • Hypertonie
  • Osteoporose
  • Glaukom

Dagegen sind Substanzen für die milde Depigmentierung laut Dr. Petit in der Regel zwar harmlos, ihr Effekt allerdings auch gering – obwohl Hersteller mit Superlativen werben. Das ethische Dilemma, das sich daraus ergibt: Sollte man generell von einer Hautaufhellung abraten oder nur von den schädlichen, intensiven Aufhellern? Letzteres würde ermöglichen, Patientinnen und Patienten hinsichtlich der milder wirkenden Produkte zu beraten und weiter zu einer intensiven, verträglichen Aufhellung zu forschen.

Gegen eine generelle Verdammung der Aufheller spricht laut Dr. Petit, dass Ärztinnen und Ärzte keinen Grund haben, kulturelle Praktiken oder Sichtweisen zu verurteilen, die per se nicht gesundheitsschädlich (milde Aufheller!) und im ästhetischen Empfinden tief verankert sind. Hautaufhellende Maßnahmen werden außerdem bei Hyperpigmentierungen (u. a. postinflammatorische Hyperpigmentierungen, Melasma) eingesetzt, weil diese Erkrankungen die Lebensqualität deutlich einschränken. Warum solche Substanzen also nicht auch im weiteren kosmetischen Sinne nutzen? Nicht zuletzt habe jeder das Recht, über seinen eigenen Körper frei zu bestimmen, erinnerte der Franzose.

In dieser Hinsicht wäre eine Hautaufhellung nicht anders zu sehen als ein Tattoo, eine Schönheitsoperation oder eine Geschlechtsanpassung – so lange sie sicher ist. Doch gerade darin liegt ein Problem. Der Übergang von der nicht schädlichen milden Aufhellung zur aggressiven Depigmentierung verläuft mitunter fließend. Und auf harmlose, milde Produkte können schädlichere folgen. Gleichzeitig sollte man bedenken, dass die positive Einstellung gegenüber einer Hautaufhellung auch den sozialen Druck auf POC erhöht bzw. einen lange bestehenden Trend unterstützt, der in seinem Kern dunklere Hauttöne herabwertet.

Eine abschließende Lösung für sein Dilemma hat Dr. Petit bisher noch nicht gefunden. Der Anreiz der Patientinnen und Patienten nach hellerer Haut mag zwar aus einem hierarchischem System der Kolonialzeit hervorgehen, das falsch ist – der individuelle Wunsch einer Person ist aber berechtigt und kann durchaus facettenreicher sein. Dennoch regte Dr. Petit seine Kolleginnen und Kollegen diesbezüglich zum Nachdenken an. Gemeinsam müsse man herausfinden, wie sich die Situation in Zukunft verbessern lasse.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht