Brustkrebs Nicht ersetzen, sondern ergänzen

DGS 2024 Autor: Mascha Pömmerl

Ki-67 ersetzt keine Multigenanalyse für Risikobestimmung und Therapiewahl bei Brustkrebs. Ki-67 ersetzt keine Multigenanalyse für Risikobestimmung und Therapiewahl bei Brustkrebs. © peopleimages.com – stock.adobe.com

Ki-67 wird bei Brustkrebs zur Risikoeinschätzung und als Prognosefaktor eingesetzt. Zudem dient es als dynamischer Biomarker, mit dem das Ansprechen auf eine endokrine Kurzzeittherapie überprüft wird. Wird durch Ki-67 die Multigenanalyse zur Risikobestimmung, Therapiewahl oder Subtypisierung eines frühen Mammakarzinoms überflüssig? 

Als dynamischer Biomarker macht Ki-67 in den Augen von Pro-Diskutant Prof. Dr. Hans H. Kreipe, Medizinische Hochschule Hannover, die Multigenanalyse bei luminalen Mammakarzinomen überflüssig.1 In seiner Argumentation gegen Multigentests konstatierte er, dass die RNA-Analyse zur Tumorklassifikation eine verlassene Methodik sei. „Gen-Expressionsprofile waren im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends das große Versprechen – von dem ist nichts übriggeblieben.“ 

Zudem wies er darauf hin, dass verschiedene Gentests unterschiedliche Risikobewertungen für die gleiche Person ergeben hatten. In der Gruppe der lobulären Mammakarzinome komme es mit dem Recurrence Score (RS) zu einer systematischen Unterschätzung des Risikos, wie die Literatur zeige. Die tatsächliche Inzidenz lobulärer Brusttumoren und ihre Repräsentanz in den durch Gentests ermittelten Hochrisikogruppen passten nicht zusammen.

Ki-67 wurde in Studien der Westdeutschen Studiengruppe (WSG) als prognostisch relevanter Marker etabliert. „Das krankheitsfreie Überleben von Patient:innen mit einem Ki-67 von über 35 % ist auf lange Sicht sogar schlechter als das von denjenigen mit einem TNBC. Wir können mit Ki-67 also in der Tat Risikosubgruppen unterscheiden“, konstatierte Prof. Kreipe. Nicht nur mittels unizentrischer Bewertung wie in klinischen Studien, sondern auch in der Routineanwendung im klinischen Alltag erweise sich Ki-67 als ein unabhängiger prognostischer Parameter für krankheitsfreies Überleben (DFS) und Gesamtüberleben, wie eine große Registeranalyse ergab. „Der prognostische Effekt von Ki-67 zeigte sich auch bei dezentraler Messung“, so Prof. Kreipe.

Endokrine Resistenz werde in der heutigen Praxis nicht biologisch, sondern klinisch definiert, konstatierte der Referent. Benötigt würden aber biologische Parameter, um die endokrine Resistenz vorherzusagen und die betroffene Person zu beraten. „Keines der vorhandenen Genexpressionsprofile stellt diese Information zur prospektiven endokrinen Resistenz zur Verfügung, wohl aber Ki-67.“

Ob ein Tumor auf die endokrine Therapie (ET) anspricht, könne man so bereits nach 3–4 Wochen sehen. Man habe zeigen können, dass der endokrinen Resistenz genetische Ursachen zugrunde liegen, denn Non-Responder auf die ET wiesen besonders häufig eine TP53- und eine HER2-Mutation auf, berichtete Prof. Kreipe. Man sehe mit Ki-67 also eine biologische Wirklichkeit

Die Konkordanz ergebe sich auch bei dynamischer Ki-67-Messung und Metastasenanalyse. „Die Tumoren metastasieren wegen ihrer TP53-Mutation.“ Eine ESR1-Mutation dagegen trete fast ausschließlich im metastasierten Stadium auf und sei eine sekundäre Resistenzalteration, die sich unter Aromataseinhibitortherapie entwickle. Vor dem Erwerb einer ESR1-Mutation sei auch ein endokriner Responder nicht bewahrt, erklärte Prof. Kreipe. Man müsse also zwischen primärer und sekundärer endokriner Resistenz unterscheiden. 

Abschließend hob der Vortragende die exzellente Reproduzierbarkeit von dynamischem Ki-67 hervor, was ganz aktuell auch im Rahmen der ADAPTcycle-Studie durch die WSG bestätigt werden konnte. Außerdem liefen seit 2002 deutschlandweit jährliche Ringversuche zur Ki-67-Bestimmung beim Mammakarzinom.

Was sagt das Auditorium?

Die Mehrheit des Auditoriums zeigte sich in den Abstimmungen weder vor noch nach den Vorträgen überzeugt davon, dass Ki-67 Multigentests überflüssig machen könne. 

Eine kritische Betrachtung

Die Kontra-Diskutantin Prof. Dr. Ulrike Nitz, Mönchengladbach, betonte zunächst, dass Ki-67 trotz seines unbestrittenen prognostischen Wertes beim frühen Brustkrebs kein prädiktiver Marker für das Ansprechen auf eine Chemotherapie sei.2 „Es ist ein Kurzschluss, dass hohe Proliferation auch bedeutet, dass ein Tumor gut auf eine Chemotherapie anspricht, das ist in unseren Köpfen, bewahrheitet sich aber nicht immer.“ Genomische Signaturen seien für die Frage der Chemotherapieindikation „mit erschlagender Evidenz“ prospektiv untersucht. 

Auch in der International Ki67 Working Group (IKWG) habe man sich in den Empfehlungen nur darauf einigen können, dass der klinische Nutzen von Ki-67 in der Prognoseabschätzung beim frühen Mammakarzinom besteht. „Prädiktiv ist er – und das vor allem in der Postmenopause – für die endokrine Therapie mit Level-1-Evidenz“, betonte Prof. Nitz mit Blick auf die dynamische Ki-67-Messung. Für die Prämenopause sei die Datenlage für den Ki-67-Wert nach präoperativer endokriner Kurzzeittherapie noch etwas schlechter. „Man braucht das dynamische Ki-67. Man hat hier einen Mehrwert in der Klinik, man weiß, was mit den Patient:innen passiert.“

Zur Reproduzierbarkeit von Ki-67 verwies Prof. Nitz auf eine Studie aus den USA, in der mit IKWG-Training geschulte Patholog:innen mit den IKWG-Schwellenwerten Ki-67-Gruppen bestimmt hatten. Sowohl bei niedrigem Risiko (Ki-67 ≤ 5 %) als auch im Hochrisiko-Bereich (Ki-67 ≥ 30 %) ergaben sich große Unterschiede zwischen den einzelnen Pathologien. Man müsse also trotz aller Qualitätssicherungsinitiativen davon ausgehen, dass es auch bei trainierten Patholog:innen viele Abweichungen gebe, so Prof. Nitz.

Sie verwies auf die WSG-BCIST-Studie, in der die lokale IHC von den mit PAM50 als Luminal A klassifizierten Tumoren 18,4 % als Luminal B eingestuft hatte und 40,5 % der von PAM50 als Luminal B klassifizierten als Luminal A. Auch im Vergleich zwischen Risikoeinstufung mittels Ki-67 und RS fiel die Konkordanz in einer Studie nur mäßig aus, berichtete Prof. Nitz. In der Patient:innengruppe mit Ki-67 ≤ 5 % waren 9,1 %, die trotz des niedrigen Ki-67 einen hohen RS ≥ 26 aufwiesen und die somit bei alleiniger Therapieauswahl auf Basis von Ki-67 untertherapiert worden wären. Auf der anderen Seite gab es sehr viele Erkrankte mit sehr hohem Ki-67 ≥ 30 %, aber niedrigem RS < 26, damit hätten 72,5 % auf alleiniger Basis von Ki-67 eine Übertherapie erhalten. Prof. Nitz legte dar, dass die Beurteilung des Rezidivrisikos und die adjuvante Therapieentscheidung auf Basis klinisch-pathologischer und genomischer Parameter erfolgen müsse.

Quellen:
1. Kreipe HH. 43. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie; Pro-Diskutant 
2. Nitz U. 43. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie; Kontra-Diskutantin