Recht auf Selbstbestimmung Ohne Information kein „informed consent“
Im Gegensatz zu den üblichen Risiken und Nebenwirkungen ist es gesetzlich nicht vorgeschrieben, dass auch Vorteile einzelner Pharmaka im Informationsmaterial für Patienten genannt werden. Allerdings ist es im Rahmen der Vorgaben durchaus erlaubt und von Patienten erwünscht, schreiben Dr. Courtney Davis, Department of Global Health and Social Medicine, King’s College, London, und Kollegen. Sie prüften anhand aller zwischen 2017 und 2019 in Großbritannien und der EU neu zugelassenen Krebsmedikamente, wie oft und wie ausführlich der Nutzen solcher Therapien thematisiert wird – sowohl für Patienten als auch für Ärzte. Die Autoren werteten für die 29 Wirkstoffe das jeweils verfügbare Material aus:
- die Fachinformation für Ärzte,
- den Beipackzettel bzw. die Patienteninformation
- die europäischen öffentlichen Beurteilungsberichte (European Public Assessment Report, EPAR), die sich in der Langfassung an Mediziner und in der Kurzfassung an Laien richten
Beantwortet werden sollten folgende Fragen: Für welche Patienten wird das Medikament eingesetzt? Welche Forschungsdaten liegen vor? Welcher Nutzen lässt sich erwarten und welche wissenschaftliche Unsicherheit besteht diesbezüglich?
Über Indikation und Wirkmechanismus der Substanzen fanden Kollegen und Patienten allgemein ausreichend Informationen, resümieren die Wissenschaftler. Fast alle Fachinformationen und Produktberichte für Ärzte boten ausführliche Aussagen hinsichtlich der Datenlage zur Bewertung des Nutzens des jeweiligen Medikaments. Allerdings informierte keiner der für die Patienten gedachten Beipackzettel darüber, auf welcher Studiengrundlage sich welcher Nutzen des Medikaments ergeben hatte, beklagen Dr. Davis und Kollegen. Auch zu Vorteilen durch die Medikation und zur Lebensqualität fanden die Patienten kaum Aussagen.
In den für Mediziner gedachten EPAR-Berichten wurde der Nutzen fast immer korrekt beschrieben. Das traf auch für 78 % der Kurzfassungen zu. Ob es Evidenz für einen möglichen Überlebensvorteil gibt, wurde in 72 % der Langfassungen, aber nur in 13 % der Zusammenfassungen thematisiert. Angaben zur Lebensqualität fanden ebenfalls nur Ärzte in der Expertenvariante.
Während die Zulassungsbehörden die Verlässlichkeit der wissenschaftlichen Evidenz für den Benefit der Wirkstoffe fast immer hinterfragten, wurden Bedenken dieser Art selten in das Informationsmaterial aufgenommen. Die Autoren fordern daher eine transparentere Kommunikation in beide Richtungen, d.h., sowohl im Rahmen der Regulationen zu erwartende Vorteile besser zu kommunizieren als auch Bedenken der zuständigen Behörden zu adressieren.
Quelle: Davis C et al. BMJ 2023; 380: 2073711; DOI: 10.1136/bmj‑2022‑073711