Organspendezahlen Organmangel auch in 2024

Autor: Nierenarzt/Nierenärztin

Nur 15,3% der möglichen Organspender hatten ihren Wunsch für oder gegen eine Spende schriftlich dokumentiert. Nur 15,3% der möglichen Organspender hatten ihren Wunsch für oder gegen eine Spende schriftlich dokumentiert. © fovito – stock.adobe.com

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation DSO sieht 2024 wenig Veränderungen gegenüber 2023 und hält daher weitere Anstrengungen für unabdingbar.

Der Blick auf die aktuellen Zahlen verdeutlicht, wie dramatisch die Lage nach wie vor für die Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten ist: So haben in den rund 1.200 Entnahmekrankenhäusern im Jahr 2024 insgesamt 953 Menschen nach ihrem Tod Organe für die Transplantation gespendet, gegenüber 965 Menschen im vorangehenden Jahr. Mit 11,4 Spenderinnen und Spendern pro Million Einwohner nimmt Deutschland somit im internationalen Vergleich auch in 2024 weiterhin einen der hinteren Plätze ein. Die Summe der in Deutschland postmortal entnommenen Organe, die über die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant nach festgelegten medizinischen Kriterien verteilt und schließlich hierzulande oder im Ausland transplantiert werden konnten, lag bei 2.854 (2023: 2.877). Dazu zählten 1.391 Nieren, 785 Lebern, 315 Herzen, 290 Lungen, 71 Bauchspeicheldrüsen und 2 Därme.

Warteliste ist nur die Spitze des Eisbergs 

Der Medizinische Vorstand der DSO, Dr. med. Axel Rahmel, erklärt dazu: „Nach wie vor stagnieren die Organspendezahlen in Deutschland auf einem zu niedrigen Niveau. Derzeit stehen mehr als 8.200 Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten, für die eine Organtransplantation oft die letzte Hoffnung ist. Wir hätten die medizinischen Möglichkeiten zu helfen, uns fehlen aber die Organe.“ 

Rahmel weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass beispielsweise von den knapp 100.000 Dialysepatienten in Deutschland etwa ein Drittel laut Expertenschätzungen ebenfalls von einer Transplantation profitieren könnte. „Viele Patienten schaffen es aufgrund der geringen Chancen auf ein Spenderorgan gar nicht erst auf die Warteliste“, kritisiert der Mediziner und ergänzt: „Die derzeitige Warteliste mit 6.400 registrierten Nierenpatienten ist lediglich die Spitze des Eisbergs. Für diese Patienten steht die Ersatztherapie der Dialyse zur Verfügung, während Menschen, die vergeblich z. B. auf ein Herz oder eine Lunge warten, versterben. Im letzten Jahr waren das in Deutschland insgesamt 667 Patientinnen und Patienten.“ 

Mit DETECT mögliche Spender frühzeitig erkennen

Im ersten und entscheidenden Schritt im Ablauf einer Organspende müssen mögliche Spenderinnen oder Spender zunächst auf den Intensivstationen überhaupt erkannt werden. Hier leistet das von der Hochschulmedizin Dresden in Kooperation mit der DSO entwickelte automatisierte elektronische Screening-Tool DETECT wertvolle Unterstützung. Das Tool rückt mögliche Organspender in den Fokus der Transplantationsbeauftragten, indem es Patientinnen und Patienten mit einem unmittelbar bevorstehenden oder bereits eingetretenen irreversiblen Hirnfunktionsausfall systematisch erkennt.

Organspenden und Transplantationen in Deutschland

Region202220232024
Anzahl der organspendebezogenen Kontakte
Nord438496498
Nord-Ost236248222
Ost420439492
Bayern437410482
Baden-Württemberg461481483
Mitte447488480
Nordrhein-Westfalen817860823
Bundesweit3.2563.4223.480
Anzahl der Organspender1
Nord133170158
Nord-Ost9110776
Ost112126130
Bayern128126157
Baden-Württemberg132137132
Mitte104133132
Nordrhein-Westfalen169166168
Bundesweit869965953
Anzahl der gespendeten Organe2
Nord430541512
Nord-Ost276317185
Ost329351343
Bayern425360496
Baden-Württemberg375397417
Mitte335408406
Nordrhein-Westfalen492503495
Bundesweit2.6622.8772.854
Anzahl der durchgeführten Organübertragungen3
Nord594635634
Nord-Ost242272223
Ost254289306
Bayern452450509
Baden-Württemberg348393410
Mitte236259241
Nordrhein-Westfalen669688690
Bundesweit2.7952.9863.013

1 Ohne Lebendspende, ohne Dominospende.
2 In der Region entnommen und später bundesweit sowie im Ausland transplantiert. Ohne Lebendspende, ohne Dominospende.
3 In Deutschland transplantiert und vorher bundesweit sowie im Ausland entnommen. Ohne Transplantationen nach Lebendspende / Dominospende.

Höheres Spenderalter bedingt Rückgang der Spenderorgane 

Zudem setzt sich in 2024 die rückläufige Entwicklung der Zahl der Spenderorgane fort. Die Anzahl der entnommenen Organe pro Spender sinkt, was die Mangelsituation weiter verschärft. Dies liegt häufig darin begründet, dass das mediane Alter der gemeldeten (2007: 55 Jahre, 2023: 61 Jahre) und der realisierten Organspender (2007: 53 Jahre, 2023: 58 Jahre) über die vergangenen Jahre stetig zugenommen hat. Damit kommt es häufiger zu Abbrüchen des Organspendeprozesses wegen medizinischer Kontraindikationen oder unzureichender Spenderorganqualität. 

Medizinische Möglichkeiten zur Transplantation vorhanden, Organe fehlen 

Ermutigend sei die in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegene Anzahl der Meldungen möglicher Organspender aus den Krankenhäusern, erläutert Rahmel. Die Zahl der organspendebezogenen Kontakte ist im vergangenen Jahr nur leicht von 3.422 auf 3.480 gestiegen. Dies sind die Fälle, in denen sich die Kliniken an die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) gewendet haben, um über eine mögliche Organspende zu sprechen.

Dies führte jedoch aufgrund von fehlenden Zustimmungen oder medizinischen Kontraindikationen nicht zu mehr Spenden. In den 43 deutschen Transplantationszentren wurden im vergangenen Jahr insgesamt 3.013 Organe nach postmortaler Spende aus Deutschland und dem Eurotransplant-Verbund übertragen (2023: 2.986). Damit wurde bundesweit insgesamt 2.902 schwer kranken Patientinnen und Patienten durch ein oder mehrere Organe eine bessere Lebensqualität oder sogar ein Weiterleben geschenkt (2023: 2.866). Gleichzeitig stehen in Deutschland 8.260 Menschen auf den Wartelisten für eine Organübertragung.

Der Medizinische Vorstand der DSO, Dr. med. Axel Rahmel, betont: „Die Lage der Patientinnen und Patienten, die dringend auf eine Organspende warten, bleibt dramatisch. Die Organtransplantation ist eine etablierte Therapie. In vielen Fällen, in denen Organe unwiederbringlich versagen, ist sie sogar die einzige Chance auf ein Überleben. Transplantationen sind aber nur möglich, wenn Menschen bereit sind, Organe nach ihrem Tod zu spenden. Es ist daher eine unerträgliche Situation, dass wir zwar die medizinischen Möglichkeiten haben, Leben zu retten, uns aber die Organe dafür fehlen.“

Vor diesem Hintergrund würdigt Rahmel die Organspende als selbstlosen Akt der Solidarität: „Den Organspendern und ihren Familien gebührt großer Dank und Anerkennung für ihre Bereitschaft, anderen Menschen mit einer Organspende zu helfen.“

Spender im Regions- und Bundesländer-Vergleich 2024 vorläufig
Region/BundeslandSpender1Spender pro Mio. Einwohner2
Nord15811,7
Bremen811,4
Hamburg5027,2
Niedersachsen729,0
Schleswig-Holstein289,5
Nord-Ost769,8
Berlin4211,5
Brandenburg124,7
Mecklenburg-Vorpommern2214,0
Ost13015,6
Sachsen7217,8
Sachsen-Anhalt2210,3
Thüringen3617,0
Bayern15712,0
Baden-Württemberg13211,8
Mitte13211,6
Hessen8814,1
Rheinland-Pfalz358,5
Saarland98,9
Nordrhein-Westfalen1689,3
Bundesweit9539,3

1 Ohne Lebendspende, ohne Dominospende. 
2 Einwohnerzahlen Stand 30.06.2023 (nach Zensus 2022) 
Quelle: Statistisches Bundesamt

Apell: immer an eine Organspende denken

Gleichzeitig appelliert der Mediziner an die Ärztinnen, Ärzte und Pflegefachkräfte in den Kliniken, an die Organspende zu denken: „Der erste und entscheidende Schritt im Prozess einer Organspende ist die zuverlässige Erkennung möglicher Organspender auf den Intensivstationen. Hierzu leisten viele Transplantationsbeauftragte und weitere ärztliche und pflegerische Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern eine engagierte Arbeit mit großer Kompetenz. Dazu gehört auch eine empathische Begleitung und transparente Aufklärung der Angehörigen.“

Die Koordinatorinnen und Koordinatoren der DSO unterstützen die Mitarbeitenden der Kliniken bei jedem Schritt im Prozess einer Organspende. Zudem optimiert die DSO seit Jahren die Qualität und Sicherheit des Organspendeprozesses und der Organe, sodass möglichst viele Spenderorgane erfolgreich transplantiert werden können. Denn durch den anhaltenden Organmangel kommt es nicht nur auf jede Spende, sondern auf jedes einzelne Organ an.

Zustimmung oder Ablehnung sollte jeder für sich selbst dokumentieren

„Damit aber bei einem möglichen Organspender am Lebensende der Wunsch für oder gegen eine Organspende umgesetzt werden kann, muss dieser Wunsch bekannt sein“, unterstreicht der Medizinische Vorstand und ergänzt: „Nur bei 15,3 Prozent der möglichen Organspender war 2024 ein schriftlicher Wille vorhanden. Bei diesen lag die Einwilligungsrate bei 75,4 Prozent. Mussten die Angehörigen hingegen nach eigenen Wertvorstellungen entscheiden, lag die Zustimmungsrate wohl aus Unsicherheit in der belastenden Situation nur bei 25,4 Prozent.“

Daher wendet sich die DSO an die Bevölkerung, zu Lebzeiten eine selbstbestimmte Entscheidung zur Organspende zu treffen und diese in einem Organspendeausweis, in einer Patientenverfügung oder im digitalen Organspende-Register festzuhalten. Damit werden die Angehörigen entlastet, dies stellvertretend tun zu müssen, und es können im besten Fall mehrere Leben gerettet werden.

Aktive Warteliste1 Transplantable Patienten im Bundesländer-Vergleich 2024
BundeslandHerzLungeNiereLeberPakreas2Benötigte OrganePateinten3 auf der Warteliste
Baden-Württemberg604472310831966935
Bayern1045287197351.1591.118
Berlin38263682134487454
Brandenburg31142851816364349
Bremen6140350509,5
Hamburg1013153108194186
Hessen37145005015616602
Mecklenburg-Vorpommern186157279217206
Niedersachsen62156044624751726
Nordrhein-Westfalen167651.397178491.8561.800
Rheinland-Pfalz30123172814401386
Saarland7770649490
Sachsen28172675219392381
Sachsen-Anhalt1662152612275266
Schleswig-Holstein261227510821442420
Thüringen201013212012294277
unbekannt41462262314,1
Summe Deutschland²6643146.3979043058.5848.269
Summe Deutschland ohne Pankreas-Inseln6643146.3979042968.5758.260

1 statistics.eurotransplant.org : 3042P : 01.01.2025 : active recipients only, estimate based on current residence postal code 
2 Inklusive 9 Patienten für Pankreas-Inseln (siehe statistics.eurotransplant.org : 3002P_Germany_all organs : 01.01.2025). 
³ Patienten, die eine kombinierte Transplantation benötigen, werden nur einmal gezählt. 
Anmerkung: Pankreas-Inseln gelten in Deutschland als Gewebe und werden nicht berücksichtigt. 
Quelle: EUROTRANSPLANT

Widerspruchslösung allein wäre kein magischer Wendepunkt

Rahmel bedauert, dass die Initiative von Bundesrat und einer großen Gruppe von Abgeordneten des Bundestages zur Einführung der Widerspruchsregelung in Deutschland durch die Neuwahlen in dieser Legislaturperiode offensichtlich nicht weiterverfolgt wird. Besonders wichtig ist, dass, anders als häufig unterstellt, auch bei der Widerspruchsregelung die Autonomie eines jeden gewahrt bleibt: „Selbstverständlich wird auch bei der Widerspruchsregelung der Wille der Verstorbenen berücksichtigt, und es bleibt daher auch und gerade bei einer möglichen Widerspruchsregelung wichtig, seinen Willen zur Organspende zu dokumentieren.“

Gleichzeitig stellt er klar, dass die Einführung einer Widerspruchsregelung auch aus Sicht ihrer Befürworter nicht die eine magische Maßnahme sei, die zu einem sprunghaften Anstieg der Organspendezahlen führen wird, sondern nur im Zusammenspiel mit anderen strukturellen Veränderungen greifen werde. Die Einführung einer Widerspruchsregelung rücke allerdings das Thema Organspende in das Bewusstsein der Bevölkerung, gebe ein klares Signal, dass Gesellschaft und Politik hinter der Organspende stünden und fördere so eine Kultur der Organspende. Das habe die Erfahrung in anderen Ländern gezeigt.

Aufklärung und Schulung weiterhin zentrale Themen

Dieser aktuelle Rückschlag in der Diskussion um die Widerspruchsregelung dürfe nicht von den anderen wichtigen Maßnahmen zur Förderung der Organspende ablenken, so der Medizinische Vorstand. „Die Aufklärung der Bevölkerung und die Schulung der Mitarbeitenden in den Kliniken bleibt eine zentrale Aufgabe, um alle potenziellen Organspenderinnen und Organspender zu identifizieren, Organspenden zu realisieren und so den Patientinnen und und Patienten auf den Wartelisten mit einem Spenderorgan rechtzeitig helfen zu können.“ 

Quelle: Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), dso.de