Profitieren Diabetespatienten von einer ASS-Primärprävention?
Eine Langzeittherapie mit ASS kann das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit vaskulären Erkrankungen um etwa ein Viertel vermindern. Absolut nimmt die jährliche Inzidenz nicht-fataler Ereignisse um 10–20/1000 Ereignisse ab, die kardiovaskuläre Sterblichkeit etwas weniger. Der Nutzen überwiegt die Risiken, vor allem das erhöhte Risiko für gastrointestinale Blutungen, bei Weitem.
Weniger klar ist dies in der Primärprävention, sagte Professor Dr. Rita Rastogi Kalyani, Johns Hopkins University, Baltimore. Denn der absolute Nutzen ist hier auf jeden Fall geringer, die Risiken aber bleiben gleich hoch. Man kann also den Standpunkt vertreten, dass man abwartet, bis sich eine vaskuläre Erkrankung entwickelt hat. Auf der anderen Seite besteht dann die Gefahr, dass das erste Ereignis schon das letzte sein kann oder den Betroffenen schwer behindert zurücklässt.
Einer großen Metaanalyse der Antithrombotic Trialists’ (ATT) Collaboration aus dem Jahr 2009 zufolge profitierten Patienten jedoch auch in der Primärprävention mit einer signifikanten Reduktion schwerer kardiovaskulärer Ereignisse um 12 % (p = 0,0001), vor allem weil weniger fatale Myokardinfarkte auftraten. Das galt insbesondere für Patienten ohne Diabetes.
Bei Patienten mit Diabetes war der Effekt numerisch ähnlich, aber nicht signifikant ausgefallen. Das generelle Risiko für schwere gastrointestinale Blutungen oder andere extrakranielle Blutungen war unter Aspirin signifikant höher als in der Vergleichsgruppe (0,10 vs. 0,07 %).
Es gibt auch eine Reihe von Metaanalysen – publiziert zwischen 2009 und 2016 –, die gezielt ASS in der Primärprävention bei Diabetes untersucht hat. Eine davon verglich Diabetespatienten mit Nichtdiabetikern und fand keinen Unterschied zwischen beiden Gruppen in der Primärprävention von Ereignissen. Drei Studien ausschließlich mit Diabetespatienten fanden keine signifikante Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse durch ASS in verschiedenen Dosierungen, aber höhere Raten von hämorrhagischen Komplikationen.
Dass diese Daten widersprüchlich sind, kann darauf zurückzuführen sein, dass die Patientenzahl in den ASS-Diabetesstudien erheblich kleiner war als in der erwähnten großen ATT-Metaanalyse mit mehr als 100 000 Teilnehmern, so Prof. Rastogi Kalyani. Auch die unterschiedliche Dosierung könnte eine Rolle gespielt haben.
Eine andere Erklärung für den in den meisten Studien fehlenden primärpräventiven Effekt von ASS bei Patienten mit Diabetes könnte laut der Referentin in einer diabetesassoziierten Plättchen-Dysfunktion liegen mit z.B. einer durch die Insulinresistenz getriggerten gesteigerten Plättchenaggregation und Adhäsion von Monozyten an die Endotheloberfläche. Ob Diabetespatienten aber tatsächlich eine „physiologische“ ASS-Resistenz aufweisen, sollte in weiteren Studien untersucht werden.
Quelle: 78th Scientific Sessions der ADA