
Fatigue Psychoneuroimmunologie bietet Ansätze für die Therapie

Fatigue ist eine unverhältnismäßig ausgeprägte Erschöpfung, die Betroffene stark beeinträchtigt und die unter üblichen Regenerationsmaßnahmen nicht verschwindet. Diagnostisch ist Fatigue derzeit nur unbefriedigend zu erfassen. Abgesehen von Instrumenten zur Selbstauskunft gibt es keine objektiven Messverfahren.
Ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln, welche Mechanismen zu der übermäßigen Erschöpfung führen, ist aktuell unter dem Eindruck der Erfahrung mit Long-COVID noch dringlicher geworden, schreibt Prof. Dr. Eva Peters, Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Universität Gießen.
Bisher nur wenig verstanden wird die chronische Immundysfunktion, zu der es bei Fatigue kommen kann. Nach einer Hypothese besteht das Problem in einer Überaktivierung angeborener Immunmechanismen als Reaktion auf eine Gewebeschädigung. Anstatt dass diese durch die normale adaptive Immunantwort beseitigt wird, führt die fortgesetzte entzündliche Aktivität zu einer Zunahme der Schädigung. Die Gewebeschädigung ist so schwach ausgeprägt, dass sie mit unseren Mitteln bisher nicht nachweisbar ist. Doch die auslösende unterschwellige Entzündung macht sich bei Fatigue häufig durch erhöhte CRP-Werte bemerkbar.
Adaptives Immunsystem wird fehlgeleitet
Auch die adaptive Immunität kann durch die stetige Überaktivierung angeborener Immunmechanismen fehlgeleitet werden. Es bilden sich z. B. Autoantikörper oder vermehrt autoreaktive T-Zellen. Dabei handelt es sich häufig um Autoantikörper gegen Rezeptoren, die bei Stressreaktion aktiviert werden, z. B. der Beta-2-Adrenorezeptor. Die autonome Dysregulation, die häufig mit Fatigue einhergeht, könnte darauf beruhen. Da immunologische Prozesse viel Energie verbrauchen, bedeutet eine chronische Überaktivierung auch, dass sich Energiereserven rasch erschöpfen und die Energiebilanz negativ wird. Dies wird verstärkt, wenn die Funktion von Mitochondrien durch die Überlastung gestört wird. Schädliche Stoffwechselabbauprodukte häufen sich an und führen zu oxidativen Stressschäden an Proteinen, Lipiden und DNA.
Stressreaktion und Immunantwort hängen über neuroendokrine Signale eng zusammen. Immer wenn die angeborene Immunität mobilisiert wird, kommt es auch zu einer akuten Stressreaktion. Nicht nur Stresshormone werden ausgeschüttet, sondern auch Neuropeptide. Diese aktivieren das Immunsystem zusätzlich. Die Hautbarriere und auch die Blut-Hirn-Schranke werden durchlässiger. Eine anhaltende periphere Entzündung führt so auch zur Immunaktivierung im Gehirn. Erhöhte proinflammatorische Zytokine im Gehirn induzieren eine Abnahme des Brain-derived Neurotrophic Factor (BDNF). Dies kann einen depressionsähnlichen Zustand bedingen. Psychosoziale Belastungen in der Vorgeschichte können diese Prozesse verstärken.
Eine Reihe von therapeutischen Ansätzen dämpft die inflammatorische Aktivität, kehrt die maladaptive Immunantwort in eine adaptive um und bessert damit auch die Fatigue. Doch je stärker die Inflammation ausgeprägt ist, desto schlechter spricht die Fatigue auf die Therapie an, betont die Expertin.
Einige immunmodulatorische Medikamente wie TNF-alpha-Blocker haben in manchen Untersuchungen positive Effekte auf die Fatigue gezeigt. Angesichts der Komplexität der Immundysregulation bei Fatigue ist die Hemmung eines einzelnen Zytokins jedoch unzureichend und macht sich eher durch Nebenwirkungen bemerkbar. Sehr gut belegt zumindest bei Tumor-assoziierter Fatigue ist der Nutzen einer Bewegungstherapie. Positiv wirkt diese auch bei Fatigue im Rahmen von Autoimmunerkrankungen und Depression.
Psychotherapie senkt proinflammatorische Zytokine
Auch eine Ernährung, die reich an Omega-3-Fettsäuren, pflanzlichen Eiweißen und komplexen Kohlenhydraten ist, hat günstige Effekte auf die Fatigue. Fatigue und schlechter Schlaf gehen häufig Hand in Hand. Indem man einen erholsamen Schlaf fördert, kann man auch die Fatigue bessern. Einen hohen Stellenwert bei Fatigue haben kognitive Verhaltenstherapien und Achtsamkeitstherapien. Belegt ist dies vor allem für die Krebs-assoziierte Fatigue. Es konnte auch gezeigt werden, dass solche Psychotherapien zu einer Abnahme proinflammatorischer Zytokine führen. Ähnliches gilt für verschiedene Antidepressiva.
Quelle: Peters EMJ. Bundesgesundheitsbl 2024; 67: 1222-1230; doi: 10.1007/s00103-024-03952-z