Narkolepsie Schlaf aus heiterem Himmel

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Charakteristisch für Narkolepsie ist eine Einschlaflatenz von acht Minuten oder weniger. Charakteristisch für Narkolepsie ist eine Einschlaflatenz von acht Minuten oder weniger. © torwaiphoto – stock.adobe.com

Patienten mit Narkolepsie sind tagsüber ungewöhnlich müde und neigen dazu, plötzlich einzuschlafen. Heilen lässt sich die Erkrankung nicht. Medikamente können den Betroffenen aber helfen, ein aktives und waches Leben zu führen.

Bei der Narkolepsie handelt es sich um eine neurologische Erkrankung, bei der die Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus im Gehirn gestört ist. Es werden zwei Formen unterschieden, erläutert eine Gruppe um um Livia­ Fregolentea­ von der Klinik für Neurologie am Universitätsspital Bern: Während bei einer Narkolepsie Typ 1 zusätzlich zur ausgeprägten Tagesschläfrigkeit Kataplexien auftreten, ist dies beim Typ 2 nicht der Fall.

Bei der Entstehung der Krankheit spielen vermutlich neben der genetischen Veranlagung Umweltfaktoren und bestimmte Auslöser wie Infektionen oder Impfungen eine Rolle. Man geht davon aus, dass zumindest dem Typ 1 eine immunvermittelte, selektive Zerstörung von hypokretin-­produzierenden Nervenzellen im lateralen Hypothalamus zugrunde liegt. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass es sich beim Typ 2 um eine mildere Form der Erkrankung mit weniger deutlich ausgeprägtem Hypokretinmangel handelt.

Das Peptidhormon Hypokretin ist nicht nur an der Regulation von Wachheit und REM*-Schlaf beteiligt, sondern auch an verschiedenen motorischen, autonomen und psychischen Funktionen. Entsprechend vielschichtig ist die Symptomatik bei Narkolepsie, beschreiben Fregolentea­ und Kollegen.

Leitsymptom ist die exzessive Tagesschläfrigkeit über mindestens drei Monate. Vornehmlich in passiven und monotonen, aber auch in fordernden Situationen treten Schlafattacken auf, die meist weniger als 20 Minuten andauern. Die Gesamtschlafdauer über 24 Stunden ist in der Regel normal. 

Rund jeder zweite Patienten leidet unter Begleitsymptomen wie Halluzinationen und Schlafparalysen beim Einschlafen oder Erwachen. Auch gestörter Nachtschlaf, Schlaf­apnoe, Restless-Legs-Syndrom bzw. periodische Beinbewegungen im Schlaf, Albträume und REM-Schlaf-Verhaltens­störungen können auftreten. Weiterhin sind autonome und endokrine Störungen wie Adipositas oder Pubertas praecox möglich. Oft ist auch die exekutive Kontrolle über Aufmerksamkeit und Vigilanz vermindert. Häufig finden sich begleitend affektive Störungen.

Zentrale Bestandteile der Diagnostik sind die Polysomnografie und der multiple Schlaflatenztest. Charakteristisch für Narkolepsie ist eine Einschlaflatenz von acht Minuten oder weniger. Weiteres Diagnosekriterium sind die sogenannten sleep onset REM periods, bei denen ein REM-Schlaf innerhalb von 15 Minuten nach dem Einschlafen erreicht wird.
Bei Verdacht auf eine Narkolepise Typ 2 ist aus Sicht der Autorengruppe eine Aktigrafie unerlässlich, um andere Ursachen für die Symptomatik auszuschließen. Mögliche Differenzialdiagnosen sind:

  • chronische Schlafinsuffizienz
  • Schlafapnoe
  • zirkadiane Rhythmusstörungen 
  • Medikamenteneinnahme oder Drogengebrauch

Die Messung des Hypokretinspiegels im Liquor ist vor allem bei unklarer Kataplexieanamnese, bei Verdacht auf eine sekundäre oder familiäre Erkrankungsform, oder wenn die Schlaf-Wach-Tests nicht zuverlässig durchführbar oder beurteilbar sind, angezeigt. Bei einem Großteil der Patienten mit Narkolepsie Typ 1 liegen die Werte bei 110 pg/ml oder niedriger. Bei Patienten mit der Typ-2-Erkrankung sind eher Werte oberhalb von 110 pg/ml zu erwarten.

Manchmal ist es schwierig, bei bilaterale Episoden mit Verlust des Muskeltonus zwischen einer Kataplexien als einem der Hauptkriterien für Typ-1-Narkolepsie und einer anderen Ursache zu unterscheiden. Dann kann das Ansprechen auf anti­kataplektische Medikamente aufschlussreich sein. In den folgenden Situationen sollte eine andere Ursache für die Schlafattacken wie Synkopen oder ein akinetischer epileptischer Anfall in Betracht gezogen werden:

  • asymmetrisch auftretende Muskelschwäche
  • Bewusstseinsverlust
  • lange Episodendauer
  • atypische Trigger
  • erhaltene Muskeleigenreflexe während der Attacke

Nicht pharmakologische Maßnahmen wie ein regelmäßiger geplanter Mittagsschlaf, Sport sowie ausreichende Schlafhygiene und eine feste Tagesstruktur bilden die Basis der Behandlung bei Narkolepsie. Im Einzelfall kann zudem eine psychologische Betreuung, eine Ernährungs- und Sozialberatung sowie der Austausch mit anderen Betroffenen innerhalb einer Selbsthilfegruppe hilfreich sein.

Die medikamentöse Behandlung zielt auf die Linderung der Symptome ab. Bei der Wahl des Medikaments sind Nebenwirkungen und Begleiterkrankungen des Patienten mitentscheidend. In der europäischen Leitlinie werden in erster Linie folgende Substanzen für die Behandlung der Tagesschläfrigkeit beim erwachsenen Narkolepsiepatienten empfohlen: Modafinil, Pitolisant, Natriumoxybat und Solriamfetol. Eine starke Empfehlung besteht auch für Natriumoxybat, Venlafaxin und Clomipramin bei Kataplexien sowie für Natriumoxybat bei gestörtem Nachtschlaf.

Darüber hinaus gilt es bei allen Patienten, eventuelle Begleiterkrankungen wie Schlafapnoe, Restless-Legs-Syndrom, REM-Schlaf-Verhaltensstörung, Depression, Adipositas oder arterielle Hypertonie zu behandeln.

*    rapid eye movement

Quelle: Fregolentea LG et al. Swiss Med Forum 2023; 23: 958-961; DOI: 10.4414/smf.2023.09274