Schlechtes Qi in der Schmerztherapie: Experten debattieren über die Wirksamkeit der Akupunktur
In den meisten entwickelten Ländern empfehlen Ärzte die Akupunktur als Analgetikum. Aus gutem Grund, meint Dr. Mike Cummings von der British Medical Acupuncture Society, London. Schließlich hätte erst im vergangenen Jahr eine Metaanalyse der Daten von rund 21 000 Patienten gezeigt, dass das Verfahren zur Linderung chronischer Schmerzen einer Scheinbehandlung überlegen ist. Das spricht für die biologische Plausibilität der Methode, sagt er.
Professor Dr. Edzard Ernst, emeritierter Professor für Alternativmedizin der Exeter University, und Professor Dr. Asbjørn Hróbjartsson vom Center for Evidence-based Medicine, University of Southern Denmark, kann er damit nicht überzeugen. Überblicksarbeiten wiesen den Unterschied zwischen Akupunktur und Placebo als gering und klinisch kaum bedeutsam aus.
Die meisten merken es, wenn sie in der Placebogruppe sind
In zwei systematischen Reviews kam die Alternativmethode nicht über Effekte von 0,17–0,20 (standardisierte Mittelwertdifferenz) hinaus. Das sind Werte, die 4–5 mm auf einer Skala von 100 mm entsprechen. Klinisch relevant wären 10–15 mm. Ein solches Ergebnis kommt wohl eher von Verzerrungen, etwa durch unzureichend verblindete Probanden, schreiben die beiden Wissenschaftler. So konnten in neun von 13 Studien unverblindete Patienten eine Akupunktur- klar von einer Placebobehandlung unterscheiden.
Für diese Interpretation spricht nach Ansicht von Prof. Hróbjartsson und Prof. Ernst noch ein zweites Argument: In keinem der zwölf Cochranereviews zur Akupunktur bei Rückenschmerzen, rheumatoider Arthritis, Fibromyalgie, Tumorschmerzen und anderen Lokalisationen konnten Forscher mehr als einen Placeboeffekt belegen.
Vergleicht man die Nadeltherapie jedoch mit „usual care“, macht die Akupunktur eine deutlich bessere Figur, hält dem Dr. Cummings entgegen. Mit einem Effekt von 0,5 in der eingangs genannten Metaanalyse zeigt das alternative Verfahren seinen „wahren Wert“ für die Behandlung. Dabei sei der Effekt bei 85 % auch noch nach einem Jahr festzustellen. Vor allem hinsichtlich der verbesserten Lebensqualität punktet die Akupunktur. Damit gilt sie als relativ sichere und moderat effektive Intervention für zahlreiche Arten chronischer Schmerzen, so sein Fazit.
Prof. Hróbjartsson und Prof. Ernst halten den Vergleich zwischen der Alternativmethode und einer Standardbehandlung für das typische Argument eines Enthusiasten. Die unverfälschte Wirksamkeit eines Verfahrens lasse sich nur in verblindeten Studien mit Shamkontrollen erkennen. Nach jahrzehntelanger Forschung gebe es nicht mehr als unzureichende Beweise für einen therapeutisch relevanten Effekt. Und auch, wenn Akupunktur oft als harmlos bezeichnet wird, können die Nadeln Komplikationen wie Hämatome, Infektionen und Pneumothoraxe verursachen. Deshalb sollten Ärzte die Methode nicht zur Schmerztherapie empfehlen, so das Fazit der Autoren.
Quelle: Cummings M et al. BMJ 2018; 360: k970