Dysphagie Schluckbeschwerden haben meist eine Vorgeschichte

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Schluckbeschwerden zählen auch zu den Warnzeichen für Kopf-Hals-Tumoren und Speiseröhrenkrebs. Schluckbeschwerden zählen auch zu den Warnzeichen für Kopf-Hals-Tumoren und Speiseröhrenkrebs. © ZayWin – stock.adobe.com

Eine neu aufgetretene Dysphagie hat meist benigne Ursachen, sollte aber trotzdem zeitnah abgeklärt werden. Hinweise auf die Kausalität finden sich bereits in der Anamnese.

Werden erwachsene Patienten das erste Mal aufgrund von Schluckbeschwerden vorstellig, sollte innerhalb von zwei Wochen eine Endoskopie des oberen Gastrointestinaltraktes erfolgen. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, weil diese Probleme zu den Warnzeichen für Kopf-Hals-Tumoren und Speiseröhrenkrebs zählen, berichten A. Waters vom Freeman Hospital in Newcastle upon Tyne und Kollegen.

Warnsignale

Für Kopf-Hals-Tumoren:

  • Heiserkeit (> 3 Wochen)
  • unerklärliche Schwellung am Hals
  • orale Schwellung (> 3 Wochen)
  • orales Geschwür (> 3 Wochen)
  • Schluckstörungen (> 3 Wochen)
  • Odynophagie
  • anhaltende Otalgie mit normaler Otoskopie
  • Otalgie mit/ohne gleichzeitiges Kloßgefühl im Hals
  • Blut im Mund bei gleichzeitigem Kloßgefühl im Hals

Hinweis: Intermittierende Heiserkeit plus Kloßgefühl im Hals ist negativ mit Kopf-Hals-Tumoren assoziiert.

Für ein Ösophaguskarzinom:

Dysphagie ODER Patientenalter ≥ 55 Jahre mit ungewolltem Gewichtsverlust, bei dem mindestens eines der folgenden Kriterien zutrifft:

  • Schmerzen im Oberbauch
  • Reflux
  • Dyspepsie

In manchen Fällen lässt sich eine Dysphagie bereits anhand der medizinischen Vorgeschichte erklären. Es lohnt sich deshalb, die Betroffenen nach folgenden Erkrankungen bzw. Ereignissen zu fragen:

  • Kopf-Hals-Tumoren oder chirurgische Eingriffe in dieser Region: Sie beeinträchtigen ggf. das Schlucken beeinträchtigen, sofern sie zu einem strukturellem Defizit oder Nervenverletzungen geführt haben. Letztere können die motorische Funktion beim Schlucken oder die Empfindung im oberen Aerodigestivtrakt stören.
  • Strahlentherapie im Kopf-, Hals- oder Thoraxbereich: Eine strahlen­induzierte Mukositis kann das Schlucken aufgrund von Schmerzen und Empfindungsstörungen im oberen Atem- und Verdauungstrakt erschweren. Xerostomie, Fibrose und selten eine untere kraniale Neuropathie sind Spätfolgen der Radiatio, die potenziell eine leichte bis schwere Dysphagie nach sich ziehen.
  • Schlaganfall oder neurodegenerative Erkrankungen: Eine Dysphagie kommt sehr häufig vor.
  • Barrett-Ösophagus und Achalasie: Beide Erkrankungen gelten als Risikofaktoren für Adenokarzinome und Plattenepithelkarzinome der Speiseröhre.
  • Angeborene oder entwicklungsbedingte Erkrankungen wie Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und zerebrale Lähmungen: Schluckprobleme in diesem Zusammenhang haben ein erhöhtes Aspirationsrisiko zur Folge. Autismus und/oder Lernbehinderungen sind mit einer größeren Wahrscheinlichkeit für sensomotorische und koor­dinative Schwierigkeiten verbunden, was in jeder Schluckphase zu Dysphagie führen kann.
  • Chronische Atemwegserkrankungen (z.B. COPD) oder wiederkehrende Bronchialinfekte: Diese stören häufig die Atem-Schluck-Koordination und erhöhen das Aspirationsrisiko. Die Inhalation von Steroiden kann zu einer oralen bzw. oropharyngealen Candidose führen. Rezidivierende Bronchialinfekte sind ein Hinweis auf eine stille Aspiration.

Darüber hinaus ist oft auch eine ausführliche Sozialanamnese hilfreich. So gelten beispielsweise Tabak- und Alkoholkonsum als unabhängige Risikofaktoren für Kopf-Hals-Tumoren und Speiseröhrenkrebs. In den letzten Jahrzehnten haben sich außerdem onkogene humane Papillomaviren (HPV 16 und 18) als unabhängige Risikofaktoren für oropharyngeale Tumoren erwiesen.

Quelle: Waters AM et al. BMJ 2022; 379: e067347; doi: 10.1136/bmj-2021-067347