Allergieprävention  Schützen, was uns schützt

Autor: Dr. Angelika Bischoff/Dr. Susanne Gallus

Proteine und Lipide im Stratum corneum, z.B. Filaggrin und Loricrin bzw. Ceramide haben den größten Anteil an der Epithelbarriere. Proteine und Lipide im Stratum corneum, z.B. Filaggrin und Loricrin bzw. Ceramide haben den größten Anteil an der Epithelbarriere. © Ngilustrasi - stock.adobe.com

Die Hautbarriere setzt sich kontinuierlich gegen äußere Faktoren zur Wehr, allerdings beeinträchtigen genetische Faktoren ihre Stabilität.  Neben inflammatorischen Reaktionen können bei geschädigter Barrierefunktion Sensibilisierungen gegenüber Allergenen entstehen. An welchen Stellschrauben lässt sich drehen? Und was ist präventiv möglich?

Filaggrin, Loricrin, Ceramide: Proteine und Lipide im Stratum corneum spielen eine wichtige Rolle für die funktionierende Epithelbarriere. Filaggrin induziert die Aggregation von Keratinfilamenten und stärkt so die mechanische Barriere. Außerdem halten seine Abbauprodukte die Feuchtigkeit in der Haut. Eine Schädigung der Epithelbarriere im Rahmen einer atopischen Dermattis (AD) wird als der erste Schritt in eine allergisch-atopische Karriere angesehen. Im Stratum corneum atopischer Haut sind Lipide weniger dicht organisiert, der Gesamtlipidgehalt ist vermindert und das Verhältnis zwischen langkettigen und kurzkettigen Molekülen (bei Ceramiden, freien Fettsäuren und Cholesterin) verändert. 

Der stärkste genetische Risikofaktor für die AD sind Mutationen im Filaggrin-Gen (FLG), die das entstehende Protein funktionsunfähig machen. Beschrieben sind zudem Polymorphismen in Genen, die für die Tight Junctions der Epithelzellen (Claudin-1) kodieren oder üder den Notch-Signalweg an der Keratinozytendifferenzierung beteiligt sind.

Aber auch Umweltschadstoffe und irritative Substanzen führen dazu, dass die Filaggrin-Expression abnimmt und die Barriere durchlässiger wird. Neben Luftschadstoffen nehmen niedrigere Temperaturen Einfluss auf Gene des Epidermal Differentiation Complex (EDC). Letzteres geschieht u.a. über den temperatursensitiven Ionenkanal TRPV1. Es kommt zu einer verstärkten Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen, was auch mit ein Grund dafür sein könnte, dass sich bei Patienten eine Neurodermitis oft im Winter verschlechtert, schreiben Dr. Andreina Marches-Mejias vom King’s College in London und Co-Autoren.

Man geht inzwischen davon aus, dass die frühe orale Exposition gegenüber Nahrungsmittelallergenen toleranzinduzierend wirkt, während eine frühe Exposition von Nahrungsmittel- oder respiratorischen Allergenen an der Haut zu Sensibilisierung und Allergie führen kann. Beispielsweise belegt eine Studie den Zusammenhang zwischen einer Erdnussallergie und der Exposition von Kindern über Erdnusspartikel im Hausstaub. Dieser verschwand, wenn die Kinder im ersten Lebensjahr Erdnuss(-Produkte) zu sich genommen hatten. 

Unklar bleibt bisher, ob die Störung der epidermalen Barriere zu einer Dysregulation der TH2-Antwort führt oder ob immunologische Mechanismen die Integrität der Barriere schädigen. Vieles spricht dafür, dass beides zusammenkommt, schreiben die Kollegen – unter dem zusätzlichen Einfluss von Haut- und Darmmikrobiom (siehe Kasten). 

Mitwirkende Mitbewohner

Bei Patienten mit AD hat Staph. aureus oft einen entscheidenden Anteil am Hautmikrobiom, da der Keim gute Kolonisationsbedingungen findet. Neue Studien haben gezeigt, dass die übermäßige Besiedelung mit Staph. aureus die Entwicklung einer Toleranz gegenüber Nahrungsmittelallergenen (z.B. Hühnerei, Erdnuss und Kuhmilch) behindert und so Nahrungsmittelallergien fördert. 

Doch nicht nur auf der Haut, auch im Darm sind die Mikrobiota an der Atopie beteiligt. So sind Kinder mit geringerer Diversität des Darmmikrobioms besonders empfänglich für eine AD. Bei Menschen mit AD sind Bakterienspezies wie Bifidobacterium und Clostridium sp., die komplexe Polysaccharide u.a. zu Butyrat abbauen, vermindert. Fehlt Butyrat, fehlt es der Darmbarriere an Integrität, und mehr sogenannte Pathobionten werden systemisch aufgenommen. Außerdem ist es wichtig für die Entwicklung des mukosalen Immunsystems inkl. der regulatorischen T-Zellen. 

Man geht davon aus, dass Laktobazillus-Mixturen in der Schwangerschaft einen Vorteil bringen könnten, wenn beim Kind ein hohes AD-Risiko besteht.  Zur Therapie einer AD mit Probioika gibt es widersprüchliche Daten. Noch schlechter ist die Evidenz zur Prävention von Nahrungsmittelallergien. Was die Manipulation des Darmmikrobioms mittels Probiotika bringt, bleibt damit vorerst unsicher, was auch an der Zusammensetzung der Präparate liegt. Dennoch könnten immunregulierende Präbiotika (z.B. Ballaststoffe), die Gabe von Postbiotika (Butyrat und GABA) zukünftig eine Option darstellen, um Steroide einsparen zu können. 

Vaselinebasierte Emollienzien werden heute als Goldstand im Management der AD betrachtet, inzwischen gibt es auch neuere Trilipid-Cremes, die sich am pH-Wert und an der Lipidkomposition der natürlichen Haut orientieren und bei einigen Outcomes besser abschneiden. 

Ein präventiver Einsatz von Emollienzien in der frühen Kindheit kann dem Auftreten einer atopischen Dermatitis bei Hochrisikokindern vorbeugen. Jedoch ist unsicher, ob dies auch für Nahrungsmittelallergien gilt. Zudem kam es in vielen Untersuchungen zu mehr Hautinfektionen.

Die proaktive antiinflammatorische Therapie mit topischen Steroiden und Calcineurininhibitoren ist inzwischen ein Standardvorgehen bei AD, weswegen sie zumindest eine Rolle in der Prävention von Nahrungsmittelallergien bei Patienten mit AD einnehmen könnten, schreiben die Autoren. Die kontinuierliche Gabe von Glukokortikoiden hat in Studien die Krankheitsschwere bei Kindern mit AD deutlich reduziert und in einer weiteren Studien zu milder AD auch das Auftreten von Hühnereiweißallergien bei Kindern reduziert. Allerdings zeigten sich bei letzterer Studie gleichzeitig negative Effekte wie eine signifikante Wachstumsverzögerung. 

Topische Calcineurininhibitoren sind weder in Europa noch in den USA bei Kindern unter zwei Jahren zugelassen. Bei bereits bestehender AD werden sie in der proaktiven Therapie mitunter off label eingesetzt, da sie den Abstand zwischen Flare-Episoden verlängern und die Hautbarriere stabilisieren. Die einzigen Daten zur Langzeitsicherheit bei Kindern über einen Therapiezeitraum von zehn Jahren ergeben zumindest keinen Hinweis auf ein erhöhtes Krebsrisiko

Zuküftig könnte auch die FLG-Expression einen interessanten Angriffspunkt für neue Therapien von atopischen Erkrankungen bieten. Man könnte die Expression heraufsetzen oder behindernde Faktoren ausschalten. Möglich wäre es auch, FLG-Metaboliten topisch zu applizieren. Weitere neue Wege tun sich mit der epikutanen Immuntherapie und letztlich einer hautgerichteten Gentherapie auf.

Quelle: Marques-Mejias A et al. Ann Allergy, Asthma Immunol 2024; DOI: 10.1016/j.anai.2023.12.030