Kontrollkoloskopie Senioren spiegeln?
Im Schnitt vergehen zwischen der Detektion eines fortgeschrittenen Kolonadenoms und dem Tod aufgrund eines kolorektalen Karzinoms 10 bis 15 Jahre. Angesichts dieser Zeitspanne und des nicht zu vernachlässigenden Eingriffsrisikos (Blutungen, Perforation) stellt sich die Frage, ob man sehr alten Menschen nach einer endoskopischen Polypabtragung Kontrollkoloskopien zumuten sollte. Bei Niedrigrisikopolypen und/oder einer geringen Lebenserwartung sollte dies zumindest genau überlegt sein, meint ein US-Forscherteam um Dr. Audrey Calderwood vom Dartmouth-Hitchcock Medical Center in Lebanon.
Die Wissenschaftler gingen der Frage nach, ob ein Zusammenhang zwischen der geschätzten Lebenserwartung und dem Ergebnis einer Kontrollkoloskopie bzw. den Nachsorgeempfehlungen besteht. Sie werteten die Daten von 9.831 Senioren aus (Durchschnittsalter 73 Jahre), die sich nach einer Polypdiagnose einer endoskopischen Kontrolle unterzogen hatten. Bei rund 58 % der Patienten gingen die Forscher von einer Lebenserwartung von mindestens zehn und bei 7,5 % von weniger als fünf Jahren aus.
Es fehlt bislang an klaren Empfehlungen
Präkanzeröse Adenome bzw. Karzinome wurden bei 7,8 % bzw. 0,2 % der Endoskopien detektiert. 5.281 Senioren erhielten eine Empfehlung bezüglich der weiteren Nachsorge: In 87 % dieser Fälle – insbesondere bei hoher Lebenserwartung bzw. fortgeschrittenen Neoplasien – wurde zu weiteren Kontrollen geraten. Allerdings erhielten auch 58 % der Senioren mit unerheblichem Befund (Normalbefund oder kleine hyperplastische Polypen) und einer Lebenserwartung von weniger als fünf Jahren den Rat, sich erneut zur Spiegelung vorzustellen.
Die Ergebnisse können bei der Nutzen-Risiko-Abwägung von Kontrollendoskopien bei älteren Menschen helfen, meinen die Forschenden. Perspektivisch hoffen sie auf klare Empfehlungen dazu, ab welchem Alter auf Verlaufskontrollen verzichtet werden darf.
Quelle: Calderwood AH et al. JAMA Intern Med 2023; DOI: 10.1001/jamainternmed.2023.0078