Schwangerschaft Stress setzt Nachwuchs schon im Mutterleib zu
Aus entwicklungspsychologischer Sicht kommt bereits pränataler Stress als Ursache infrage, schreiben Dr. Irene Tung von der California State University und Kollegen. Die Gruppe wollte wissen, ob vermehrte Ängstlichkeit, Depression oder Stress bei Schwangeren mit bestimmten Verhaltensauffälligkeiten von Kindern verschiedener Altersstufen assoziiert sind.
Anhand der Metaanalyse von 55 Langzeitstudien zeigten die Wissenschaftler, dass sich der im Mutterleib erlebte Stress auf die Entwicklung bestimmter Hirnstrukturen des Ungeborenen auswirkt. Betroffen sind solche Bereiche, die für die Verarbeitung von Emotionen und den Umgang mit Bedrohung wichtig sind. Die psychische Belastung der werdenden Mutter kann die Stresssysteme des Fetus demnach in gewisser Weise für das spätere Leben kalibrieren.
In den Studien waren neben dem Vorliegen einer Depression oder einer Angststörung auch Ergebnisse aus standardisierten Fragebogen zu Ängstlichkeit, Depressivität und Stressbelastung der Frauen erhoben worden. Bei den Kindern hatten die Wissenschaftler aggressives, unkooperatives und antisoziales Verhalten, Delinquenz und andere externalisierende Verhaltensweisen erfasst.
Konkret ergab sich ein kleiner, aber signifikanter Effekt des pränatalen Stressempfindens der Mutter auf das spätere Verhalten des Kindes. Die Assoziation zeigte sich sowohl für Jungen als auch für Mädchen und für verschiedene Altersstufen bis hin zur Adoleszenz. In der frühen Kindheit war der Effekt aber etwas stärker ausgeprägt. Es war unerheblich, in welchem Trimenon der Stress auftrat. Es änderte sich nur wenig, wenn der postnatale Stresslevel der Frauen Berücksichtigung fand. Im Sinne einer frühen Prävention von Verhaltensstörungen beim Kind könnte eine breit aufgestellte psychologische Unterstützung von Schwangeren eine wichtige Maßnahme darstellen, so die Autoren.
Quelle: Tung I et al. Psychol Bull 2023; DOI: 10.1037/bul0000407