Trainieren während und nach der Chemotherapie
© iStock/FatCamera
Häufig geht eine Chemotherapie mit Kraftlosigkeit einher. Die entsteht meist gar nicht durch die Medikamente, sondern durch einen Denkfehler: Die Patienten bewegen sich während der Behandlung einfach weniger.
"Obwohl viele Patienten gar nicht eingeschränkt sind und die Chemotherapie gut verkraften, stellen sie ihre sportlichen Aktivitäten – häufig aus falscher Furcht vor Überlastung – einfach ein", sagt Privatdozent Dr. Freerk Baumann. Er ist Leiter der Arbeitsgemeinschaft Bewegung, Sport und Krebs und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln. Was können Patienten nach einer Chemotherapie tun, damit sie bald wieder auf die Beine kommen?
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Training? Auf jeden Fall!
"Ob zur Gewichtsregulierung oder zur Steigerung von Kraft und Ausdauer: Für alle Patienten eignet sich nach einer Chemotherapie grundsätzlich ein Kraftaufbautraining, kombiniert mit einem Ausdauertraining. So wird die Muskulatur aufgebaut und das Herz-Kreislauf-System wieder in Schwung gebracht", empfiehlt Dr. Baumann. Natürlich müssen die individuellen Trainingseinheiten den jeweiligen Zielen angepasst werden. Möchte jemand beispielsweise seine Wassereinlagerungen reduzieren, sollte er die Intensität geringer wählen und die Wiederholungszahlen dafür höher. So wird die Gewebsflüssigkeit wieder ausgeschwemmt. Genau das gegenteilige Training empfiehlt sich beim Aufbau von Muskulatur. Also eine höhere Intensität bei geringeren Wiederholungszahlen.Training – wie und wo?
Solche Trainings sollten vorab stets unbedingt mit dem behandelnden Arzt abgesprochen und unter professioneller bewegungstherapeutischer Anleitung durchgeführt werden. "Genau hier liegt das Problem. In unserem Gesundheitssystem findet sich für onkologische Patienten noch kein systematisches Training für die gesamte Phase der Krebsbehandlung. Dazu gehört vor allem die Nachsorge", stellt Dr. Baumann fest. "Das ist schade, denn je früher Patienten beginnen, desto weniger Probleme haben sie während der gesamten Behandlungszeit." Es gibt zwar Krebssportgruppen, die auch in ihrer Anzahl immer weiter zunehmen. Diese trainieren jedoch häufig noch nicht nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. "Wir arbeiten aber aktuell daran, dass entsprechende Leitlinien auch in der Versorgung tatsächlich ankommen", so der Experte. Zudem betreffen diese die Nachsorge und werden von Übungsleitern und in der Regel nicht von Bewegungstherapeuten geleitet.Profis helfen bei der Bewegung
Patienten unter der medizinischen Therapie gehören in die Hände von Therapeuten. "Die unterschiedlichen Krankheitsbilder inklusive der Medikation und die damit verbundenen Ziele können nur unter der Anleitung eines Profis umgesetzt werden", mahnt Dr. Baumann. Von einer Mitgliedschaft in einem nicht-qualifizierten Fitnesscenter rät er in diesem Zusammenhang grundsätzlich ab, sofern dort kein ausgewiesener Therapeut das Training betreut. "Nach einer vollständigen Genesung spricht dann natürlich nichts dagegen. Oder wenn es lediglich um ganz einfache Einschränkungen im Herz-Kreislauf-System geht. Wobei jedoch bei der Wahl des Fitnesscenters immer auf eine gute Beratungs- und Betreuungsqualität zu achten ist – hier gibt es bereits große Unterschiede." Auch Krebssportgruppen sind nur für Patienten geeignet, die keine therapeutische Relevanz haben. Hier geht es um die allgemeine Verbesserung der gesundheitlichen Situation.Kämpfen gegen die Erschöpfung
An Trainingsstandards für Krebspatienten forscht Dr. Baumann seit einigen Jahren am Centrum für Integrierte Onkologie Köln-Bonn. Patienten werden hier in systematische und qualitätsgesicherte Bewegungsprogramme eingebunden. Dieses wissenschaftliche Projekt nennt sich "Onkologische Trainings- und Bewegungstherapie" (OTT). Das Konzept ist mittlerweile bei der Deutschen Krebsgesellschaft und vom Deutschen Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS) e.V. anerkannt. Auch immer mehr Krankenkassen bezuschussen dieses Programm. Krebspatienten können im Laufe ihrer Chemotherapie an einen Punkt körperlicher und geistiger Erschöpfung kommen. Oft hält dieser Zustand wochenlang an. Dennoch gibt es Möglichkeiten, mit diesem Syndrom, das als Fatigue bezeichnet wird, zurechtzukommen. "Erschöpfung und Müdigkeit wird durch körperliche Aktivität reduziert. Das ist wissenschaftlich belegt. Also in diesem Fall sollten Betroffene sich nicht auf das Sofa setzen und sich ausruhen, sondern sich betätigen – auch wenn es anfangs schwer fällt", erläutert Dr. Baumann.Lebenswandel und Wellness – Alles was gut tut, ist erlaubt
Auch für Krebspatienten sind Wellness-Programme nicht nur zu empfehlen, sondern oft sogar notwendig. Dies gilt etwa für Patienten, die unter einem erhöhten Stressniveau leiden – und das kommt häufig vor. Denn allein die Diagnose Krebs versetzt viele in eine dauerhafte Stresssituation. Aber auch die notwendigen körperlichen Aktivitäten bedeuteen Stress, nämlich für den Körper. Dieser sollte sich anschließend wieder erholen können. Massagen, Schwimm- und Thermalbäder oder Saunabesuche sind für Betroffene sehr zu empfehlen. Denn sie reduzieren Druck und liefern wichtige Zeit für eine Erholung. Aber auch hier sollte alles vorher mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Nach einer Bestrahlung muss sich die strapazierte Haut beispielsweise erst wieder erholen, bevor eine Sauna besucht werden darf. "Zudem sollte auch das Immunsystem des Patienten wieder hergestellt sein. Nach einer Chemotherapie ist dies meist angegriffen", erklärt Dr. Baumann. "Denn beispielsweise in Schwimmbädern oder Sauna besteht eine erhöhte Infektionsgefahr."Aber dann gilt: Alles was gut tut, ist erlaubt! Langsam anfangen und dann vorsichtig steigern. "Wichtig ist, dass man sich nicht zu extrem in eine Richtung bewegt. Alles sollte möglichst ausgewogen sein. Patienten sollten bloß nicht anfangen, nun jeden Tag fünf Stunden Sport zu treiben", rät Dr. Baumann. Das gleiche gilt für die Ernährung. Auf sie zu achten, ist wichtig. Denn sie sollte nicht monoton, sondern vielseitig und ausgewogen sein – und immer auch Spaß machen. Idealerweise übrigens in Gesellschaft. Denn auch das baut Stress ab.