Akut-auf-chronisches Leberversagen Transplantation beim akut-auf-chronischen Leberversagen
Die Kurzzeitmortalität beim akut-auf-chronischen Leberversagen (acute-on-chronic liver failure, ACLF) ist mit 80 % sehr hoch. Bei der Lebertransplantation als einziger potenziell kurativer Therapieoption müssen allerdings verschiedene Faktoren beachtet werden, schreiben Florent Artru vom King‘s College Hospital London und Kollegen in einer Übersichtsarbeit. Darin gehen sie vor allem auf Prognosefaktoren und das optimale Zeitfenster für eine Transplantation ein.
Fachgesellschaften uneinig in Bezug auf die Definition
Nach der Konsensus-Definition der World Gastroenterology Organisation ist das ACLF durch eine akute hepatische Dekompensation mit Leberversagen (Ikterus und Koagulopathie) und Versagen von einem oder mehreren extrahepatischen Organen gekennzeichnet, mit erhöhter Sterblichkeit bis zu drei Monate nach Krankheitsbeginn (siehe Kasten). Die großen Fachgesellschaften sind sich jedoch uneinig darüber, wie ein ACLF zu definieren ist: Sie unterscheiden sich bei Kriterien wie dem Stadium der Lebererkrankung, der Definition des Leberversagens und den Auslösern.
Immunmodulatorische Therapieansätze wie granulozytenkoloniestimulierende Faktoren scheinen vielversprechend. Ihr klinischer Nutzen für den Menschen konnte jedoch bislang nicht gezeigt werden. Die derzeitige Therapie des ACLF zielt daher darauf ab, das auslösende Ereignis zu behandeln und die Organe zu unterstützen und dadurch den Patienten physiologisch und metabolisch zu stabilisieren. In schweren Fällen kommt eine Lebertransplantation in Betracht. Bei Patienten ohne oder mit geringer Aussicht auf eine Transplantation ist die Palliativmedizin ein wesentlicher Bestandteil des Managements.
Früher wurde die Lebertransplantation bei ACLF äußerst kritisch gesehen. Doch das Blatt hat sich gewendet. Inzwischen bescheinigen mehrere Studien dieser Behandlungsmethode gute Erfolgsaussichten: Die 1-Jahres-Überlebensrate betrug meist 80 % oder mehr, die 5-Jahres-Überlebensrate etwa 70 %. Bei einer Lebendspende war das Überleben noch besser. Als Gründe hierfür nennen die Autoren eine kürzere Zeit für die Spenderevaluation sowie einen potenziell günstigeren Zeitpunkt für den Eingriff.
Faktoren, die mit einer ungünstigen Prognose nach der Lebertransplantation verbunden sind | ||
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Patientenbezogene Faktoren | Faktoren im Zusammenhang mit dem Aufenthalt auf der Intensivstation | Spenderbezogene Faktoren |
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Von Inflammation bis zur Mitochondriendysfunktion
Durch systemische Entzündungen, ausgelöst durch pathogenassoziierte und zelleigene Molekülstrukturen (PAMP bzw. DAMP), kommt es neben einer Schädigung der Leberzellen zu einer portalen Hypertension. Diese führt zu einem veränderten Darmmikrobiom und schließlich zu einer proinflammatorischen Zytokinsekretion. Um die überschießende Inflammation zu kompensieren, unterdrückt der Körper die immunologische Aktivität übermäßig bis hin zur Immunsuppression – was wiederum Infektionen begünstigt. Die Immunantwort erfordert zudem einen hohen Energiebedarf und führt zu einer Fehlfunktion der Mitochondrien und oxidativem Stress bis hin zum extrahepatischen Organversagen.
Es gibt zwei sogenannte Transplantationsfenster
Die Prognose nach einer Lebertransplantation wird wesentlich von drei Faktorengruppen bestimmt (siehe Tabelle). Den Autoren zufolge lassen sich zwei sogenannte Transplantationsfenster abgrenzen, die von der Kombination nicht veränderbarer patientenbezogener Faktoren sowie Art und Verlauf des Organversagens abhängig sind. Außerhalb davon ist eine Transplantation mit inakzeptabel schlechten Ergebnissen verbunden – z.B. aufgrund der Entwicklung überlagernder Komplikationen im Verlauf des ACLF. Bezüglich des Outcomes ist das erste Transplantationsfenster deutlich günstiger, betonen die Autoren. Die Grenzen dieser Zeitfenster müssen für jeden Patienten individuell und kontinuierlich von einem multidisziplinären Transplantationsteam beurteilt werden. Zur Bewertung des Sterblichkeitsrisikos nach einer Lebertransplantation stehen für Patienten mit ACLF außerdem der Futility Risk Score und der TAM*-Score zur Verfügung.
Organallokation beruht in der Regel auf MELD-Score
Zu den offenen Fragen bezüglich einer Lebertransplantation bei ACLF zählt eine mögliche Benachteiligung mancher Patienten bei der Organallokation. Diese beruht meist auf dem MELD- oder MELD-Natrium-Score (MELD-Na), der jedoch das extrahepatische Organversagen nicht berücksichtigt. Folglich haben Patienten mit ACLF im Vergleich zu denjenigen ohne ACLF, aber mit demselben MELD-Wert, die gleiche standardisierte Mortalitätsrate von 1,52 – auch wenn ihr Mortalitätsrisiko höher ist. Zudem fehlen Studien, die den Ressourcenverbrauch und die langfristige Lebensqualität nach der Transplantation untersuchen. Generell sind bislang veröffentlichte Daten meist (> 90 %) retrospektiv und müssen daher mit Bedacht interpretiert werden.
* transplantation of ACLF grade 3 model
Quelle: Artru F et al. Lancet Gastroenterol Hepatol 2024; DOI: 10.1016/S2468-1253(23)00363-1