Asthma in der Schwangerschaft Treatable Traits identifizieren und individualisiert behandeln

Autor: Dr. Andrea Wülker

Auch wenn die Patientin bereits einen Inhaler nutzt, sollte die korrekte Anwendung immer wieder überprüft werden. Auch wenn die Patientin bereits einen Inhaler nutzt, sollte die korrekte Anwendung immer wieder überprüft werden. © sosiukin – stock.adobe.com

Asthmaexazerbationen in der Schwangerschaft schaden Mutter und Kind, sie erhöhen zum Beispiel das Risiko für Frühgeburt und niedriges Geburtsgewicht. Eine gute Krankheitskontrolle kann mit dem Konzept der „treatable traits“ gelingen.

Asthma ist die häufigste chronische Erkrankung in der Schwangerschaft und betrifft  weltweit 8–13 % aller werdenden Mütter. Bei etwa 40 % der betroffenen Frauen verschlechtert sich die Asthmakontrolle während der Gravidität, 20–40 % erleben eine Exazerbation. Krankheitsausbrüche in der Schwangerschaft sind mit schlechten Outcomes bei Mutter und Kind assoziiert, z.B. mit vermehrten Frühgeburten oder niedrigem Geburtsgewicht. Das Team um Esha Joshi, School of Medicine and Public Health, University of Newcastle, plädiert daher für neue Behandlungsstrategien. 

Was sind treatable Traits?

Das Treatable-Traits-Paradigma wurde entwickelt, um der Komplexität und Heterogenität von Asthma und COPD gerecht zu werden. Unter treatable Trait versteht man ein therapeutisches Ziel, das klinisch relevant und erreichbar ist. Man kann diese Traits mithilfe von Biomarkern, phänotypischen Merkmalen, Gentests oder klinischen Schweregradskalen erfassen. Je nachdem, welches Traits-Profil ein Patient aufweist, wird im Sinne der Präzisionsmedizin ein individueller Therapieplan erstellt, um die identifizierten Probleme zu behandeln.

Vielversprechend sei in diesem Zusammenhang der Treatable-Traits-Ansatz (siehe Kasten). Bei diesem Konzept, das für Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen entwickelt wurde, geht es darum, behandelbare Merkmale zu erfassen und einen individualisierten Managementplan zu erstellen. Treatable Traits werden in drei Domänen gruppiert:

  • pulmonale Faktoren

  • extrapulmonale Faktoren

  • Verhaltensweisen/Risikofaktoren der Patienten

Welche Traits für Schwangere mit Asthma die größte klinische Relevanz haben, untersuchten die Autoren in einer Literaturrecherche. Damit konnten sie eine Reihe von Merkmalen zusammenstellen (s. Tabelle). Bevor man sich ihnen widmet, sollte bei verdächtigen Symptomen bzw. bekanntem Asthma zunächst eine entsprechende Anamnese und klinische Untersuchung durchgeführt werden. Dazu kommen eine Messung des fraktionierten exhalierten Stickstoffmonoxid (FeNO) und der Eosinophilen im Blut infrage. Daran schließt sich das multidimensionale Assessment auf die relevanten Traits an.

Treatable traits, die für Schwangere mit Asthma relevant sein können
PulmonalExtrapulmonalVerhaltens-/Risikofaktoren
T2-AtemwegsinflammationAdipositas und exzessive Gewichtszunahme während der SchwangerschaftRauchen
Atemflusslimitationgastroösophageale Refluxkrankheit (GERD)geringe Gesundheitskompetenz
AtemwegsinfektionAngststörung, Depressionschlechte Inhaliertechnik
Aspirin-Exacerbated Respiratory Disease (AERD)schlafbezogene Atmungsstörungen Nichtadhärenz
chronische AtemwegserkrankungenRhinitisungenügende körperliche Aktivität
dysfunktionale Atemmustermangelhaftes Selbstmonitoring (z. B. bezüglich Peak-flow-Messungen)
induzierbare laryngeale ObstruktionFehlen eines schriftlichen Asthma-Aktionsplans

Mit Maske und Impfungen vor Infektionen schützen

Aus den gefundenen Merkmalen ergibt sich der Behandlungsplan. Bei eosinophiler Inflammation muss die Dosis des inhalativen Kortikosteroids angepasst werden, bei symptomatischer Atemflusslimitation die Menge des LABA. Atemwegs­infektionen kann man mit Masken, Händehygiene und Impfungen vorbeugen. Leidet die Patientin an einer durch ASS exazerbierten Erkrankung, empfiehlt sich die Überweisung an einen Allergologen bzw. Immunologen. Chronische respiratorische Erkrankungen wie Bronchiektasen, pulmonaler Hochdruck oder interstitielle Lungenerkrankungen erfordern ein optimiertes Management.

Auch für extrapulmonale Traits gibt es viele Ansätze. Bei Adipositas oder exzessiver Gewichtszunahme in der Schwangerschaft ist eine Beratung zu gesundem Lebensstil, Bewegung und Gewichtsmanagement sowie ggf. eine Überweisung zur Ernährungsberatung angezeigt. Im Falle einer obstruktiven Schlafapnoe sollte eine CPAP-Therapie erwogen werden, bei Angststörung oder Depression eine psychotherapeutische/psychiatrische Mitbehandlung sowie Entspannungstechniken wie Yoga. Für eine gastroösophageale Refluxkrankheit stehen medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapien zur Verfügung, gegen eine Rhinitis helfen entsprechende Nasensprays, orale Antihistaminika, Allergenvermeidung und ggf. eine Überweisung zum HNO-Kollegen oder Allergologen. Dysfunktionale Atemmuster lassen sich mit einer physiotherapeutischen Atemtherapie angehen, eine induzierbare laryngeale Ob­struktion mit Logopädie.

Schwangerschaft als Chance zur Therapie begreifen

Im Sektor Verhalten/Risikofaktoren ist ein wichtiger Punkt, das Selbstmanagement und die Therapieadhärenz der Patientin zu stärken, etwa durch Edukation, einen Asthma-Aktionsplan und Selbsthilfegruppen. Die korrekte Inhalationstechnik sollte vermittelt und immer wieder überprüft werden. Körperlich wenig aktive Frauen gilt es zu 150 Minuten moderatem Training pro Woche zu motivieren. Raucherinnen benötigen eine Beratung zum Rauchstopp und eventuell eine Nikotinersatztherapie.

Die Schwangerschaft bietet eine einzigartige Gelegenheit, den Asthmastatus von Frauen zu optimieren, betonen die Autoren. Dies ist wichtig, da sich die Gesundheit der Mutter auf die Gesundheit des Kindes auswirken kann. Ein multidisziplinäres Management mit dem Treatable-Traits-Konzept bietet sich in dieser Situation an.

Quelle: Joshi E et al. Eur Respir Rev 2023; 32: 230105; DOI: 10.1183/16000617.0105-2023