Corona-Impfung Trotz Omikron-Wende Immunität hochhalten
Ja, diese Virusvariante ist harmloser als noch „Delta“ und der Höhepunkt der aktuellen Welle überschritten. Nein, es ist weit mehr als Schnupfen, was eine Infektion mit Omikron im Organismus auslösen kann. Diese Botschaft sollte auch bei den Patienten ankommen. Denn Virologen wie Prof. Sandra Ciesek werden nicht müde, vor einem zu tiefen Durchatmen beim C-Thema zu warnen: „Bei uns in der Virologie können wir leider nicht durchschnaufen“, sagt die Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main im aktuellen Herzstiftungs-Podcast.
Zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Herzstiftung, Prof. Thomas Voigtländer, spricht sie darin über das Risikopotenzial neuer Corona-Virusvarianten, Long-COVID und warum eine Impfung klar im Vorteil ist.
BA.2 – die große Unbekannte
In dem Podcast „Zwei Jahre Corona-Pandemie – Was wissen wir über Folgen fürs Herz?“ aus der Reihe „Impuls: Wissen für ihre Gesundheit“ verweist Prof. Ciesek insbesondere auf die an Häufigkeit zunehmende Corona-Virusvariante Omikron BA.2, „bei der wir noch nicht so genau wissen, wie schwer die Menschen daran erkranken.“
Auch der Kardiologe und Intensivmediziner Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, spricht derzeit von einer „angespannten Verschnaufpause“. Beide tauschen sich darin über aktuelle Erkenntnisse aus Virologie und Kardiologie aus: Was weiß man nach zwei Jahren Corona-Pandemie zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Virus und Impfung? Was zu neuen Virusvarianten? Und welche Perspektiven zeichnen sich in der Pandemiebekämpfung ab?
Ungeimpfte weiter gefährdet
Grund zur Entwarnung sieht die Virologin Ciesek keineswegs. Zwar verliefen die Infektionen mit der BA.1-Variante laut Daten aus Großbritannien „vergleichsweise leichter“. Doch sind dort wie auch in Deutschland sehr viele Menschen schon geimpft. „Ich warne daher immer, dass die Infektion nicht nur ein Schnupfen ist.“
Ein Blick in die afrikanischen Länder zeige, dass dort die Todeszahlen unter den Ungeimpften steigen. Deshalb könnten auch hierzulande ältere und ungeimpfte Menschen oder solche, die eine Vorerkrankungen haben, durchaus schwer an Omikron erkranken.
Impfung trotz natürlicher Infektion
Doch die Berichte über sehr seltene, aber doch vorhandene Fälle einer impfbedingten Herzentzündung haben für Verunsicherung gesorgt. Auch fällt es vielen Menschen schwer, zwischen dem Risiko einer in der Regel mild verlaufenden Infektion mit der Omikron-Variante BA.1 und dem Risiko einer Myokarditis nach einer mRNA-Impfung abzuwägen.
Nach über 10 Milliarden COVID-19-Impfungen „gehen wir davon aus, dass es bei 3 bis 5 pro 100.000 Impfungen zu einer assoziierten Myokarditis kommt“, d.h. im zeitlichen Zusammenhang einer mRNA-Impfung, berichtet Prof. Voigtländer. Doch Prof. Ciseck sagt: „Wir wissen auch: Wenn jemand ungeimpft ist und jetzt an Omikron mild erkrankt, dann entwickelt er zum Beispiel keine ausreichende Immunität gegen andere Virus-Varianten.“
Die Medizinerin sieht in Omikron „nicht die letzte Variante“ und geht davon aus, dass vielleicht sogar Delta wiederkommt. Der Vorteil liege daher weiterhin klar auf der Seite der COVID-19-Impfung. „Das sehe ich ganz genauso“, pflichtet Kardiologe Voigtländer bei. Diese Position unterstreichen auch aktuelle Daten mit dem Fokus auf kardiovaskuläre Komplikationen als Folgeschäden von COVID-19.
Mehr Myokarditis-Fälle
Prof. Voigtländer erinnert an eine zwei- bis dreifach höhere Mortalitätsrate bei den Menschen, die am Herzen vorerkrankt waren und sich in der ersten Welle mit SARS-CoV-2 infizierten. Doch auch bei Virusinfizierten sei es zu neuen Herzerkrankungen gekommen: „Da war die Myokarditis das Hauptphänomen. Sie trat schätzungsweise bei etwa 11 von 100.000 Ungeimpften auf“, so der Ärztliche Direktor des Agaplesion Bethanien-Krankenhauses in Frankfurt am Main.
Außerdem gebe es nach dem Infekt ein „erhöhtes Risiko“ für Herzrhythmusstörungen, für eine Herzinsuffizienz und für eine koronare Herzkrankheit (KHK)1 – „auch wenn die COVID-Erkrankung selbst gar nicht so schwer war“, so Prof. Ciesek. „Das zeigt einmal mehr, dass es keine reine Lungenerkrankung ist, über die wir sprechen.“
Risiko einer Immunflucht bleibt
Alle hoffen, dass sich die Corona-Pandemie irgendwann so beherrschbar wird wie die Influenza. Prof. Ciesek bleibt jedoch skeptisch. SARS-CoV-2 habe sich als unerwartet wandlungsfähig erwiesen.
Noch wisse man nicht, ob künftigere Virusvarianten aggressiver sind oder häufiger eine Immunflucht drohe, so dass Impfstoffe schlechter wirkten, meint die Virologin. Auch führten die verfügbaren Impfstoffe alleine nicht zu einer sterilen Immunität – „also, dass man schon auf der Schleimhaut die Infektion abwehren kann“. Deshalb seien bessere antivirale Medikamente wichtig, vor allem für Vorerkrankte oder Immunsupprimierte. Sie hätten zudem den Vorteil, dass sie relativ stabil wirkten, selbst wenn das Virus sich verändert.
1. Literatur: Xie, Y., Xu, E., Bowe, B. et al. Long-term cardiovascular outcomes of COVID-19. Nat Med (2022). doi.org/10.1038/s41591-022-01689-3
Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Herzstiftung