Leitlinie Volkskrankheit Gonarthrose
Die Gonarthrose ist eine der häufigsten Ursachen für Schmerzen und Funktionseinbußen im Alter. Eine Aussicht auf Heilung gibt es bisher nicht, wohl aber diverse Optionen zur Linderung der Symptome, heißt es in der aktuellen Leitlinie von DGOU* und weiterer Fachgesellschaften. Medikamentös steht ein Versuch mit topischen NSAR an erster Stelle. Bleibt der gewünschte Effekt aus, ist es Zeit für eine orale Applikation – mit möglichst geringer Dosis. Die Kombination mehrerer NSAR sollte vermieden werden. Bei erhöhtem Magen-Darm-Risiko wird zusätzlich ein PPI empfohlen. Sicherheitshalber ist eine Aufklärung über gastrointestinale Symptome angezeigt (Oberbauchschmerz, Sodbrennen, Dyspepsie etc.). Für Patienten mit blutendem Ulkus in der Anamnese, die ein NSAR benötigen, propagieren die Experten einen Cox-2-Hemmer plus PPI. Eine weitere Option ist Metamizol, schreiben die Autoren um Prof. Dr. Johannes Stöve vom St. Marienkrankenhaus in Ludwigshafen und Prof. Dr. Andreas Halder von den Sana Kliniken Sommerfeld in Kremmen. Wenn man sich für diesen Wirkstoff entscheidet, muss der Erkrankte über Gefahren, insbesondere die Entwicklung einer Agranulozytose, und die Maßnahmen bei unerwarteten Infektionszeichen aufgeklärt werden.
Auch opioidhaltige Analgetika haben einen hohen Stellenwert in der Arthrose-Behandlung. Sie kommen bei den drei folgenden Konstellationen in Betracht:
- Versagen nicht-medikamentöser Optionen,
- Wirkungslosigkeit der NSAR bzw. Kontraindikationen und
- Operation nicht möglich oder vom Patienten abgelehnt.
Der Einsatz opioidhaltiger Analgetika setzt aber voraus, dass der Erkrankte unerwünschte Effekte wie erhöhtes Sturzrisiko, sexuelle und endokrine Veränderungen, Obstipation und schlafbezogene Atmungsstörungen kennt. Die Therapiedauer liegt primär bei zwei bis zwölf Wochen. Bei relevanter Schmerzreduktion und guter Verträglichkeit sollte eine Behandlung > 3 Monate empfohlen werden. Die Anwendung ist zu beenden, wenn dieses Ziel durch andere Maßnahmen wie Physiotherapie oder Operation erreicht wird.
Bei der Gonarthrose werden auch etliche intraartikuläre Therapien angeboten. Steroidinjektionen eignen sich zur kurzfristigen Schmerzlinderung. Von einer länger andauernde Behandlung wird abgeraten, da es Hinweise gibt, dass die applizierten Steroide zu einer Knorpeldestruktion und dem Fortschreiten der Arthrose führen können.
Die Wirksamkeit intraartikulär injizierter Hyaluronsäure ist umstritten. Hochwertige Metaanalysen beschreiben sowohl ausgeprägte als auch geringe Schmerzreduktionen. Die Kombination von Steroiden und Hyaluronsäure kann zu einer schnelleren Linderung der Beschwerden führen, für eine definitive Aussage reichen die Daten jedoch noch nicht. Die Leitlinienautoren geben eine offene Empfehlung („kann erwogen werden“) bei Patienten, bei denen NSAR nicht ausreichen.
Naturheilkunde ans schmerzende Knie?
Beliebt bei Gonarthrose sind naturheilkundliche Verfahren. Vor allem die Akupunktur zeigte in mehreren Studien Wirksamkeit und kann deshalb zur Therapie der Gonarthrose erwogen werden. Auch für die Balneotherapie mit Schlammpackungen und Thermalbädern gibt es eine Kann-Empfehlung. Für Blutegel ließ sich bisher kein Effekt sichern, zwei neuere, positive Studien weisen erhebliche Mängel auf. Auch die Studienlage zu oralen Weihrauchpräparaten ist noch unklar. Beinwellextrakt-Gele können eingesetzt werden, für Arnika-Gele mangelt es noch an Evidenz. Kurkuma verringerte in Studien im Vergleich zu Placebo Gonarthrosebeschwerden klinisch bedeutsam, im Vergleich zu NSAR war die Gelbwurz nicht unterlegen. Es sollten jedoch nur standardisierte Kurkuka-basierte Präparate eingesetzt werden. Eine Therapiedauer mit bis zu 1200 Kurkumin/Tag über bis zu vier Monaten wird als sicher eingestuft. In der Gesamtschau kann den Leitlinienautoren zufolge die Gabe von Kurkuma erwogen werden.
Eine sichere und effiziente therapeutische Option ist neuen Daten zufolge die Verabreichung von plättchenreichem Plasma (RPR). Die Ergebnisse sollen mindestens gleichwertig, wenn nicht sogar besser sein als die mit Hyaluronsäure. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Evidenz kann die Gabe PRP bei Patienten, bei denen NSAR nicht wirken, erwogen werden. Von der Radiosynoviorthese rät die Leitlinie bei der primären Gelenkerkrankung dagegen ab. Grund ist die geringe Schmerzlinderung bei hohem Risiko für Komplikationen, z.B. Osteonekrosen.
Im Rahmen der konservativen Therapie werden gerne Orthesen und Schuhzurichtungen eingesetzt. In der Frühbehandlung können Absatzkeile und Außenranderhöhung Schmerzen durchaus lindern und deshalb erwogen werden. Für Bandagen und Orthesen sind die Daten widersprüchlich, die Leitlinienautoren geben eine „Kann-Empfehlung“.
Ausdrücklich eingesetzt werden sollen Kraft-, Dauer- und Beweglichskeitstraining. Dadurch bessert sich die Funktion und die Schmerzen werden reduziert. Die aquatische Bewegungstherapie sollte zur Muskelkräftigung eingesetzt werden, das Laufbandtraining kann nützlich sein. Massagen dienen der kurz- bis mittelfristigen Verbesserung von Schmerz, Funktion und Steifigkeit. Sie lassen sich aber wegen der dürftigen Studienlage noch nicht allgemein empfehlen. Grundsätzlich gilt: Aktive Maßnahmen sind gegenüber passiven zu bevorzugen.
Auch Strom wird gegen Gonarthrose ins Feld geschickt. Allerdings mit wenig Erfolg. In einer kürzlich publizierten randomisierten Studie führten TENS und Placebo-TENS bei Gonarthrosepatienten zu keinem signifikanten Unterschied hinsichtlich Schmerz und Funktion. Das Verfahren sollte laut Leitlinie weder allein noch langfristig angewendet werden. Interferenzstrom kann die Schmerzen verbessern, wird aufgrund unzureichender Daten noch nicht generell propagiert. Von der neuromuskulären elektrischen Stimulation (NMES) rät die Leitlinie ab. Ebenfalls nicht eingesetzt werden bei Gonarthrose sollen Laser, Kurz-, Mikro- und Stoßwellen sowie Infrarotlich. Ob die Magnetfeldtherapie wirkt, ist aufgrund der mangelhaften Studienlage unklar, laut Leitline kann sie erwogen werden.
Eine alleinige Arthroskopie mit Lavage und/oder Débridement bei bereits klinisch und radiologisch gesicherter Arthrose empfiehlt die Leitlinie nicht. Von arthroskopischen Knorpelersatzverfahren profitieren eventuell Patienten mit früher Erkrankung und fokalen Ulzera. Unikondyläre Endoprothesen eignen sich für Patienten mit isolierter medialer oder lateraler Gonarthrose, patellofemorale Pendants bei entsprechend lokalisierter Schädigung. Bei fortgeschrittener Erkrankung kann eine Totalendoprothese langfristig für Abhilfe sorgen.
* Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie
Quelle: S2k-Leitlinie „Gonarthrose“, AWMF-Register-Nr. 167-050, www.awmf.org