Strategie bei der Allergie Vom Ei geschockt
Das meiste Hühnerei wird hierzulande nicht in gekochter oder gebratener Form verzehrt, sondern als Zusatz zu Lebensmitteln, schreibt Prof. Dr. Axel Trautmann von der Universitätsklinik Würzburg. Eine Allergie entwickeln vor allem Säuglinge und Kleinkinder. Die Prävalenz wird je nach Studie auf 0,04 bis 2,5 % geschätzt, im Erwachsenenalter sind wahrscheinlich 0,001 % betroffen.
Die wichtigsten vier Einzelallergene (Gal d 1, 2, 3 und 4) machen mehr als 80 % der Proteine des Eiklars aus, in geringer Menge finden sie sich auch im Dotter. Gal d 1 gilt zwar als Markerallergen, die meisten Patienten reagieren aber gegen mehrere Komponenten. Besonders gefährdet sind Babys und Kleinkinder mit (schwerem) atopischem Ekzem. Eine Sensibilisierung ist über die entzündete Haut oder die Magen-Darm-Mukosa denkbar, deren Barrierefunktion noch nicht ausgereift ist. Bei Beschäftigten in der industriellen Produktion wurde auch eine inhalative Sensibilisierung beobachtet.
Das Symptombild der IgE-vermittelten Allergie variiert stark: Es überwiegen leichte Sofortreaktionen auf rohes oder wenig verarbeitetes Ei. Die systemische Anaphylaxie tritt eher selten auf. Wahrscheinlich hängt es vom Sensibilisierungsmuster ab, ob ein Patient nur auf rohes oder kurz erhitztes Ei reagiert oder schon auf Zutaten in Lebensmitteln. Die meisten Kinder mit Eiallergie vertragen alimentäre Additiva ohne Probleme. Dies gilt insbesondere für Back- und Teigwaren (z.B. Kekse).
Ein typisches Merkmal der jungen Allergiker: Sie entwickeln nach einigen Jahren häufig eine Immuntoleranz. Dieser günstige Verlauf wird eventuell durch den Verzehr kleinerer Allergenmengen gefördert und kann mit einer erneuten Testung und ggf. Provokation nachgewiesen werden.
Schwere Anaphylaxien erleiden vor allem Erwachsene. Dabei spielt die Hautreaktion (Flush, Urtikaria, Angiödem) angesichts bedrohlicher Symptome wie Blutdruckabfall, Bronchospasmus und Larynxödem nur eine untergeordnete Rolle.
Kreuzreaktionen mit Eiern anderer Vögel (z.B. Gans, Ente und Truthahn) bestehen wahrscheinlich häufig, fallen aber wegen des seltenen Verzehrs kaum auf. Der in Medikamenten und Nahrungsmitteln verwendete Emulgator Ei-Lecithin wird vertragen. Denn eine Kontamination mit größeren Mengen Eiprotein kann bei den modernen Herstellungsmethoden praktisch ausgeschlossen werden.
Die Diagnose der Hühnerei-Allergie basiert auf zwei Befunden: der Sofortreaktion wenige Minuten nach dem Verzehr und der Nachweis des spezifischen IgE (Serum, Pricktest). Bei unklaren Beschwerden ist eventuell ein Provokationstest erforderlich. Anamnestisch sollte man erfragen, auf welche Form von Ei der Patient reagiert. Am häufigsten genannt werden gekochtes, Spiegel- und Rührei. Es folgen Süßspeisen wie Eis und Tiramisu. Spuren von Ei sind zwar in vielen Produkten detektierbar, aber bei der Mehrzahl der Sensibilisierten liegt die Menge unter der Schwellendosis.
Ein sensitives Suchverfahren ist der Pricktest mit rohem Eiklar. Denn der Anteil der wichtigsten Allergene Gal d 1 (Ovomukoid) und Gal d 2 (Ovalbumin) im Gesamtprotein liegt bei 10 bzw. 55 %. Auch die Bestimmung des Serum-IgE gegen Eiklar eignet sich zur Diagnostik. Bei einem negativen Resultat sowohl im Pricktest als auch im eiklarspezifischen IgE haben mehr als 90 % der Patienten keine Allergie. Die Bestimmung des IgE gegen Einzelantigene liefert eventuell zusätzliche Informationen. Die Sensitivität eines Suchtests mit dem Markerallergen Gal d 1 ist aber wohl nicht größer als mit dem Gesamtextrakt.
Wichtig ist eine sorgfältige Beratung: Selbstverständlich sollten betroffene Kinder und Erwachsene auf rohe oder nur kurz erhitzte Eierspeisen verzichten. Ein kleiner und zumeist erwachsener Teil der Patienten verträgt das Ei auch als Zutat nicht (z.B. Wurst, Suppen, eventuell sogar Teigwaren). Sinnvoll sind auch Informationen zu versteckten Allergenen. Für Kinder wird eine jährliche Kontrolle auf eine Immuntoleranz empfohlen.
Zur Sicherheit sollten Patienten, Eltern und andere Verwandte sowie z.B. das Kindergartenpersonal mit Notfallmedikamenten und einem Notfallplan ausgestattet werden. Zur Therapie der meist leichten Reaktionen eignen sich orale H1-Antihistaminika und ggf. Glukokortikoide, der Adrenalin-Autoinjektor wird nur selten benötigt.
Quelle: Trautmann A, Kleine Tebbe J. Akt Dermatol 2024; 50: 140-144; DOI: 10.1055/a-2134-4757
Impfen gefährlich?
Mögliche allergische Reaktionen auf Impfstoffe betreffen, wenn überhaupt, nur Influenza und Gelbfieber. Beide Viren können sich in der Zellkultur nicht ausreichend vermehren, weshalb man z.B. auf embryoniertes Hühnerei ausweicht. Deshalb ist eine geringe Restmenge an Ei-Protein nicht zu vermeiden. Bei Eiallergikern mit anaphylaktischer Reaktion wird vor der Applikation ein Pricktest mit dem jeweiligen Impfstoff durchgeführt. Bei positivem Ergebnis hat man zwei Möglichkeiten: auf die Impfung verzichten oder diese unter Überwachung in stufenweise ansteigender Dosis verabreichen, wobei strikt auf eine intramuskuläre Injektion zu achten ist.
Impfstoffe, die in Zellkulturen mit Hühner-Fibroblasten hergestellt werden (z.B. Masern-Mumps-Röteln) können ohne vorherige Testung injiziert werden, sie enthalten keine allergenen Ei-Proteine.