Was ist bei der Reinigung des Gehörgangs zu beachten?
Zuallererst ist es wichtig, vor und nach der Entfernung eines Pfropfs das Ohr gründlich mit dem Otoskop zu untersuchen, erklären der HNO-Facharzt Professor Dr. Heinz-Georg Schroeder von der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern in Hannover und seine Kollegen. Zudem sollte man die Patienten im Voraus über die Möglichkeit von Blutungen und Trommelfellperforationen aufklären.
Perforationen lassen sich nicht immer vermeiden
In einem der Schlichtungsstelle vorliegenden Fall hatte ein Kollege bei der Untersuchung einen dicken Ohrpfropf gefunden. Um diesen zu entfernen, spülte er das Ohr, was dem Patienten starke Schmerzen bereitete. Darauf brach der Arzt die Spülung ab und untersuchte das Ohr erneut. Nun sah er eine Trommelfellperforation, die zur im Hörtest ermittelten Schallleitungsschwerhörigkeit passte. Er versorgte den Schaden mittels Trommelfellschienung. In den Folgeuntersuchungen zeigte sich eine gute Heilung, mit der Zeit stellte sich wieder ein normales Hörvermögen ein. Laut den Experten von der Schlichtungsstelle hat der betreffende Kollege in diesem Fall alles richtig gemacht. Denn er hat den Patienten vor und nach der Spülung untersucht. Auch bei größter Sorgfalt seien Perforationen nicht immer vermeidbar.
Treten Verletzungen des Trommelfells auf, sollte man den Patienten darüber aufklären und die Perforation behandeln oder eine Überweisung zum HNO-Arzt veranlassen. Es empfiehlt sich, den Termin selbst auszumachen und dies nicht dem Patienten zu überlassen. Damit lässt sich aus Sicht der Autoren das Konfliktpotenzial verringern.
In einem anderen Fall entfernte eine HNO-Ärztin bei einer Patientin mit chronischer Otitis media und beidseitiger bekannter Trommelfellperforation (links chronisch vernarbt) Cerumen mit einer Kürette. Da die Frau ASS einnahm, kam es zu einer leichten Blutung am linken Gehörgang, die die Kollegin mit einer antibiotikahaltigen Salbenkompressionstamponade versorgte. Eine erneute Trommelfellperforation schloss sie explizit aus. Die Patientin suchte dennoch eine zweite HNO-Ärztin auf, die ihrerseits eine Perforation links diagnostizierte. Die Verletzung verheilte folgenlos.
Spülen sollte man nur, wenn keine Verletzung vorliegt
Dr. Schroeder und seine Autorenkollegen sehen auch bei diesem Fall keinen Fehler der Erstbehandelnden. Blutungsbedingt kann eine Perforation des Trommelfells vorübergehend nicht sichtbar sein. Dass die Kollegin den Pfropf mit einer Kürette entfernt hat, war die richtige Entscheidung. Denn bekannte Trommelfellschäden sind eine Kontraindikation für die Spülung.
Generell sollte Cerumen am besten mit einer Kürette entfernt oder abgesaugt werden, erklären die Autoren. Nur wenn man eine Verletzung oder eine Entzündung sicher ausschließen kann, dürfe gespült werden. Doch auch dabei gilt es, einiges zu beachten.
So verwendete in einem anderen Fall eine Arzthelferin für die Spülung eine Ohrspritze mit spitzem Ansatz. Als sich, vermutlich wegen des starken ausgeübten Drucks, der Kolben der Spritze löste, erschrak die Helferin. Der spitze Aufsatz der Spritze verletzte den Gehörgang. Der HNO-Arzt, den die behandelte Frau am nächsten Tag aufsuchte, fand zusätzlich einen für Lärmschäden typischen Hochton-Hörverlust, der sich unter Kortison kaum besserte. Der Tinnitus besteht fort.
Aus Sicht der Schlichtungsstelle liegt hier ein Behandlungsfehler vor. Die Helferin verwendete das falsche Gerät (spitzer Aufsatz) auf falsche Weise.
Temperatur des Wassers spielt eine bedeutende Rolle
Für die Ohrspülung geeignete Spritzen verhindern einen zu hohen Spüldruck. Das dabei verwendete Wasser muss immer körperwarm sein. Beachtet man das nicht, kann das unschöne Folgen haben: So führte ein Kollege bei einer Patientin eine rechtsseitige Ohrspülung durch, um nicht absaugbares Cerumen zu entfernen. Darunter gab die Frau starke Schmerzen und Schwindel an, außerdem trat ein Nystagmus nach links auf. Die Otoskopie zeigte eine Verletzung des Gehörgangs, das Trommelfell war allerdings intakt.
Auch hierbei handelt es sich um einen Behandlungsfehler, so die Experten. Schwindel und Nystagmus zur Gegenseite sprechen für eine Spülung mit deutlich zu kaltem Wasser (z.B. Zimmertemperatur). Bei zu warmer Temperatur kommt es zum Nystagmus zur gespülten Seite hin.
Generell gilt: Klagt der Behandelte während der Ohrspülung über Schmerzen, muss die Maßnahme sofort unterbrochen werden und es bedarf einer Untersuchung des Patienten. Im Zweifelsfall kann es dann lohnen, die Expertise eines Hals-Nasen-Ohren-Experten heranzuziehen.
Quelle: Schroeder H-G et al. Hamburger Ärztebl 2020; 74: 36-37