Immunsystem Weibliche Wehrhaftigkeit

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Aufgrund des produzierten Östrogens, wird das Immunsystem bei Frauen eher stimuliert, Androgene der Männer hemmen es eher. (Agenturfoto) Aufgrund des produzierten Östrogens, wird das Immunsystem bei Frauen eher stimuliert, Androgene der Männer hemmen es eher. (Agenturfoto) © Tijana – stock.adobe.com

Stärkere Immunantwort, aber mehr aberrante Entzündungsreaktionen und Autoimmunerkrankungen: Das kennzeichnet das weibliche Abwehrsystem im Vergleich zum männlichen. Einige Details sollte man bei Infektionen und bezüglich Impfungen kennen. 

Für die geschlechtsspezifische Immunität spielen hormonelle, genetische und epigenetische Faktoren eine Rolle. Das bei Frauen dominierende Östrogen wirkt über Rezeptoren auf der Oberfläche von Immunzellen stimulierend auf das angeborene und erworbene Immunsystem. Die bei Männern vorherrschenden Androgene, vor allem das Testosteron, haben dagegen eher einen hemmenden Einfluss, schreiben Dr. ­Carola ­Horn von der Klinik I für Innere Medizin der Uniklinik Köln und Kollegen. Neben diesen bio­logischen Unterschieden kann das soziale Geschlecht einen Einfluss auf unser Immunsystem haben, etwa durch die Wahl des Berufs und von Freizeitaktivitäten. 

Auf dem X-Chromosom liegen wichtige an der Regulation des Immunsystems beteiligte Gene. So werden dort beispielsweise die Toll-like-Rezeptoren 7 und 8 kodiert. Außerdem befinden sich darauf Informationen für Mikro-RNA, die über epigenetische Veränderungen die Immun­antwort wesentlich mitbestimmen. 

Für Östrogene wurde gezeigt, dass sie die humorale und zelluläre Immunantwort verstärken, etwa indem sie zu einer vermehrten Ausschüttung von proinflamma­torischen Zyto­kinen führen. Im Gegensatz dazu bremsen Androgene deren Sekretion und fördern die Produktion entzündungshemmender Stoffe. 

Bakterielle Infektionen

Epidemiologischen Studien zufolge sind Männer anfälliger für bakterielle Infektionen als Frauen, und sie erleiden öfter einen septischen Verlauf – allerdings verläuft eine Sepsis bei Frauen häufiger tödlich. Wie sich das biologisch erklären lässt, ist laut Aussage der Autoren unklar. Für die weltweit höhere Inzidenz von Tuberkulose unter Männern werden sowohl biologische als auch Faktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum, unterschiedliches Hygieneverhalten sowie z.B. die Arbeit im Bergbau ­diskutiert.

Virusinfektionen

Für zahlreiche Virusinfektionen wird ebenfalls ein häufigeres Auftreten und/oder ein schwerer Verlauf bei Männern beschrieben – darunter Dengue-, Epstein-Barr-, Hanta-, Hepatitis-B- und -C- sowie zuletzt das Coronavirus. ­Dafür könnten ebenso biologische und soziale Faktoren gemeinsam verantwortlich sein. Als mögliche biologische Unterschiede werden für das Coronavirus angeborene und erworbene Ungleichheiten der Immunantwort bei der Erkennung, Kontrolle und Eliminierung des Virus angeführt. Zwar infizieren sich Frauen seltener mit SARS-CoV-2 und haben im Schnitt einen milderen COVID-19-Verlauf. Bei ihnen kommt es aber häufiger zu einem Post-­COVID-Syndrom. 

Auch mit Blick auf HIV zeigen sich Unterschiede zwischen den Geschlechtern: So sind einerseits unter den „Elite Controllern“, die das Virus ohne Medikamente unter Kontrolle halten können, mehr Frauen als Männer. Grund könnte eine erhöhte Produktion von Interferon-a sein, was die Viruslast senkt und die Titer der CD4+-Helferzellen ansteigen lässt. Andererseits haben Frauen bei derselben Viruslast wie Männer ein höheres Risiko, an AIDS zu ­erkranken. 

Pilzinfektionen

Die wenigen Daten, die zu dem Thema gibt, weisen auch bei verschiedenen invasiven Pilzinfektionen auf eine größere Anfälligkeit und gehäuft schwerere Verläufe bei Männern hin. Man erklärt sich das mit einer stärkeren Antwort der Typ-1-T-Helferzellen von Frauen. Im Falle einer nicht-invasiven chronischen pulmonalen Aspergillose finden sich im weiblichen Blut höhere Antikörperspiegel im Serum, während bei Männern häufiger eine manifeste Erkrankung auftritt. Nach Ansicht der Autoren wäre hier ein geschlechtsgebundener Cut-off-Wert für das aspergillusspezifische IgG – das zentrale diagnostische Kriterium – sinnvoll.

Impfungen

Schließlich wurden auch in Bezug auf Impfungen Geschlechtsunterschiede festgestellt: So reicht bei einer Impfung mit inaktivierten Grippeviren Frauen die Hälfte der Dosis für denselben Effekt. Weiterhin zeigten sie nach verschiedenen Impfungen, darunter gegen Hepatitis B, Influenza und SARS-CoV-2 höhere Raten an Impfreaktionen. Die Autoren plädieren daher für eine geschlechtsspezifische Impfstoffentwicklung.

Quelle: Horn C et al. Innere Medizin 2023; 64: 752-757; DOI: 10.1007/s00108-023-01498-x