Abtauchen in die Tiefe der Darmbarriere Welche Diagnostik-Tools und Medikamente könnte es in Zukunft geben?

Autor: Dr. Sabine Debertshäuser

Zum Aufbauen der Darmflora empfiehlt das Forscherteam, die Ernährung anzupassen, beispielsweise an eine mediterrane Kost. Zum Aufbauen der Darmflora empfiehlt das Forscherteam, die Ernährung anzupassen, beispielsweise an eine mediterrane Kost. © yukimco – stock.adobe.com

Die Darmbarriere ist wichtig, um die intestinale Homöostase aufrechtzuerhalten und den Eintritt von Mikroben in die Zirkulation zu verhindern. Neue Technologien ermöglichen eine präzisere Beurteilung der Barriere, was zu einem besseren Verständnis der Pathogenese von entzündlichen Darmerkrankungen führen kann.

Vieles spricht dafür, dass Veränderungen der Darmbarriere mit verschiedenen Krankheiten assoziiert sind, beispielsweise mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) oder einem kolitisassozierten kolorektalen Karzinom (KRK). Zudem ist die bidirektionale Verbindung des Darms mit Leber und Gehirn, die Darm-Hirn-Achse, in eine Vielzahl von physiologischen Funktionen involviert und kann eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von extraintestinalen Manifestationen von CED und KRK-Metastasen spielen. Die Mukosaheilung stellt folglich ein entscheidendes therapeutisches Ziel dar. 
Neue Technologien verbessern unser Verständnis über die Darmbarriere, schreiben Prof. Dr. Marietta Iacucci vom University College in Cork und Kollegen. Mit Verfahren wie Endozytoskopie mit ultrahoher Vergrößerung oder sondenbasierter konfokaler Laserendomikroskopie lassen sich strukturelle und funktionelle Schäden der Darmbarriere bis auf molekulare Ebene in Echtzeit untersuchen. Darüber hinaus haben auch Techniken wie multispektrale Bildgebung, Nanobiophotonik, optische Spektroskopie und Massenzytometrie das Potenzial, detaillierte Einblicke auf zellulärer Ebene zu bieten.

Zudem kann Künstliche Intelligenz bei einer Untersuchung der Darmbarriere auf unterschiedliche Weise unterstützen. Beispielsweise ermöglicht die computergestützte Analyse von Kryptenmorphologie und Fluoresceinleckage eine objektive und quantitative Bewertung struktureller und funktioneller Schäden. Der Algorithmus kann histopathologische Anomalien erkennen, die für das menschliche Auge unsichtbar sind. Beim Screening und der Interpretation von CED-assoziierten Läsionen zeigte ein Deep-Learning-System eine Erkennungsrate von rund 90 % mit guter Sensitivität und Spezifität. Die Ergebnisse sind zwar vielversprechend, allerdings ist bei der Interpretation noch Vorsicht geboten. Die Verfasser sind zuversichtlich, dass Künstliche Intelligenz dazu beitragen kann, langfristige Ergebnisse und Überlebensraten von Patienten mit CED zu verbessern.

Trotz zahlreicher Medikamente zur Behandlung von CED bleibt die Reaktion oft unbefriedigend. Kürzlich hat der IL-23-Blocker Guselkumab eine vielversprechende Wirkung bei mittelschwerer bis schwerer aktiver Colitis ulcerosa gezeigt. Ähnliches gilt für Ozanimod. So ergab eine Untersuchung, dass der Sphingosin-1-phosphat-Rezeptoragonist möglicherweise die Angiogenese im Darm modulieren kann, und somit potenziell Schäden an der vaskulären Barriere entgegenwirkt. Auch die Kombination des monoklonalen Antikörpers Vedolizumab mit Januskinase-Inhibitoren führte zu guten Ergebnissen. Ob die Verbesserung auf einen direkten spezifischen Effekt der Medikamente zurückzuführen ist oder eine Folge der Wirkung auf Entzündungsprozesse darstellt, muss weiter untersucht werden.

Das intestinale Mikrobiom ist für eine intakte Darmbarriere wichtig. Präbiotika, Probiotika und Postbiotika können die Zusammensetzung der Darmflora positiv verändern. Bei Bedarf ist eine Stuhltransplantation eine Option. Auch eine Nahrungsergänzung mit Selen und Sphingolipiden spielt eine relevante Rolle bei der Regulierung der Darmhomöostase. Daneben hat die Kombination von Probiotika und kurzkettigen Fettsäuren (SCFAs) bei CED positive Ergebnisse gezeigt. SCFAs regulieren die Interaktion zwischen Epithel und Mikrobiom, indem sie die Produktion antimikrobieller Peptide fördern. Insbesondere Butyrat überzeugt mit seiner entzündungshemmenden Wirkung.

Weitere medikamentöse Ansätze mit Obeticholsäure, pflanzlichen Wirkstoffen wie Citrusflavonoiden und Berberin oder orale Nanomedizin stecken noch in den Kinderschuhen. Die verfügbaren Daten hierzu stammen hauptsächlich aus Tierstudien und In-vitro-Forschung, erklären die Kollegen.

Zum Aufbauen der Darmflora empfiehlt das Forscherteam, die Ernährung anzupassen, beispielsweise an eine mediterrane Kost. Diese sorgt für nützliche mikrobielle Metaboliten, die entzündungshemmende und antineoplastische Eigenschaften aufweisen und dadurch eine schützende Wirkung auf die Darmbarriere und die Immunantwort entfalten.

Quelle: Iacucci M et al. Gut 2024; DOI: 10.1136/gutjnl-2023-331579