Nierenfunktion Welche Filtrationsrate soll’s sein?

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Vorhandensein und Grad einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) wurden sowohl per eGFRcr als auch mithilfe der geschätzten glomerulären Filtrationsrate auf Grundlage des Cystatin-C-Spiegels (eGFRcys) kategorisiert. Vorhandensein und Grad einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) wurden sowohl per eGFRcr als auch mithilfe der geschätzten glomerulären Filtrationsrate auf Grundlage des Cystatin-C-Spiegels (eGFRcys) kategorisiert. © SciePro – stock.adobe.com

Die ­Nierenfunktion wird in der Regel anhand der glomerulären Filtrationsrate auf Basis des Serum-Kreatinin-Spiegels (eGFRcr) geschätzt. Doch eignet sich dieser Marker auch dann noch, wenn es darum geht, das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Mortalität einzuschätzen? Die Ergebnisse einer aktuellen Studie deuten darauf hin, dass es in diesem Fall eine bessere Alternative gibt.

Grundlage bildeten Daten der prospektiven, bevölkerungsbasierten Kohortenstudie „UK Biobank“. In die Auswertung eingeschlossen waren 428.402 Personen, die zwischen 2006 und 2010 rekrutiert worden waren. Die Erfassung der Daten erfolgte bis Ende August 2020. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 11,5 Jahre, schreiben die Autoren um Dr. ­Jennifer ­Lees von der School of Cardiovascular and Metabolic Health an der University of Glasgow.

Keine kardiovaskulären Erkrankungen zu Beginn

Die Teilnehmenden hatten zu Studienbeginn eine eGFRcr von mindes­tens 45 ml/min/1,73m², eine Albuminurie (Albumin < 30 mg/g) und keine vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankung. Das Durchschnittsalter lag bei 57 Jahren; 55 Prozent der Teilnehmenden waren Frauen. Vorhandensein und Grad einer chronischen Nierenerkrankung (CKD)  wurden sowohl per eGFRcr als auch mithilfe der geschätzten glomerulären Filtrationsrate auf Grundlage des Cystatin-C-Spiegels (eGFRcys) kategorisiert. Das Kriterium für die Diagnose einer CKD war in beiden Fällen eine Filtrationsrate von < 60 ml/min/1,73 m².

Unter den 76.629 älteren Patienten (65–73 Jahre) wurden 9.335 Todesfälle (12,2 %) und 5.205 kardiovaskuläre Ereignisse (6,8 %) verzeichnet. Bei den 351.773 Teilnehmenden unter 65 Jahren waren es 14.776 Todesfälle (4,2 %) und 9.328 kardiovaskuläre Ereignisse (2,7 %). Die Zehn-Jahres-Wahrscheinlichkeit eines Nierenversagens betrug weniger als 0,1 Prozent.

Die Zehn-Jahres-Wahrscheinlichkeiten für kardiovaskuläre Erkrankungen und Mortalität waren gering, wenn die eGFRcys größer oder gleich 60 ml/min/1,73 m² war. Bei einer eGFRcys unter 60 ml/min/1,73 m² war das Risiko dagegen bei den älteren Patienten fast doppelt so hoch, bei jüngeren Teilnehmenden sogar mehr als verdoppelt – beides jedoch unabhängig von der eGFRcr.

Die Autoren schließen daraus, dass die eGFRcr insbesondere im Bereich zwischen 45 und 60 ml/min/1,73 m² nicht ausreichend zwi­schen Patienten mit hohem und niedrigem Risiko trennt. Die eGFRcys ermögliche eine bessere Abschätzung des kardiovaskulären Risikos für Patienten mit einer leichten chronischen Nieren­erkrankung.

Quelle: Lees JS et al. JAMA Netw Open 2022; 5: e2238300; DOI: 10.1001/jamanetwork­open.2022.38300