Vom Job in die Höhe getrieben Wenn die Dienstreise im Krankenhaus endet

Autor: Dr. Vera Seifert

Fast wäre für einen 55-Jährigen die Dienstreise nach Bolivien fatal ausgegangen. Fast wäre für einen 55-Jährigen die Dienstreise nach Bolivien fatal ausgegangen. © JoseLuis – stock.adobe.com

Wer sich zu schnell nach oben wagt, riskiert eine Höhenkrankheit. Gerade Berufsreisenden droht Gefahr, weil Arbeitgeber ihren Angestellten oft zu wenig Zeit für die nötige Akklimatisierung lassen.

Ein 55-Jähriger flog berufsbedingt von Hamburg nach Bogotá (2.640 m). Nur einen Tag später ging es weiter über La Paz nach Uyuni (3.671 m).

Bereits bei der Ankunft in Kolumbien verschlechterte sich der Zustand des Mannes: Er litt unter Kopfschmerzen, Müdigkeit und grippalen Symptomen. In Uyuni verschlimmerten sich die Kopfschmerzen, Übelkeit kam hinzu, Erbrechen und Erschöpfung. Immerhin waren dort fünf Tage Aufenthalt geplant. Während dieser Zeit besserten sich die Beschwerden zunächst.

Im örtlichen Krankenhaus hatte man dem Mann anfangs über eine Stunde Sauerstoff via Maske verabreicht, woraufhin die periphere Sauerstoffsättigung (SpO2) von 70 % auf 95 % anstieg. Außerdem erhielt er Schmerzmedikamente. Am letzten Tag in Uyuni hatten die Kopfschmerzen wieder zugenommen und waren zudem begleitet von stärkeren Nackenschmerzen. Mit Ibuprofen ließ sich beides einigermaßen in den Griff bekommen. Da aber die Weiterfahrt nach Potosí (4.090 m) anstand und die SpO2 auf 92 % abgefallen war, kontaktierte der Patient die Deutsche Gesellschaft für Bergmedizin und Expeditionsmedizin (BExMed).

Erst Kopfschmerzen, dann Ödeme und Parästhesien

Die geschilderten Symptome legten die Diagnose einer akuten Höhenkrankheit nahe, möglicherweise könnte es sich sogar um ein beginnendes Höhenhirnödem gehandelt haben, berichtet Dr. Eike Plazikowski vomKlinikum Garmisch-Partenkirchen. Auf jeden Fall riet das BExMed-Expertenteam dringend davon ab, nach Potosí weiterzureisen. Wenn möglich, solle der Mann in eine niedrigere Höhe absteigen. Inzwischen hatte der 55-Jährige die Weiterreise aber bereits angetreten. In Potosí angekommen, suchte er eine Ärztin auf. Er hatte nun leichte periphere Ödeme, die SpO2 betrug 85 %. Die Kollegin verordnete u. a. Acetazolamid. Als neue Symptome traten Kribbelparästhesien in allen Fingern auf, was als Nebenwirkung des Medikaments gedeutet wurde. Ansonsten besserten sich die Beschwerden.

Ursprünglich war geplant, weitere 410 m Höhendistanz zurückzulegen und zu den Minen am Cerro Rico zu reisen. Der Mann folgte jedoch dem Rat des deutschen Alpinexpertenteams, darauf zu verzichten, und erholte sich im weiteren Verlauf. Sechs Wochen nach seiner Rückkehr war er beschwerdefrei und voll belastbar.

In vorliegenden Fall wurden die Prinzipien der Höhenakklimatisierung missachtet, schreibt Dr. Plazikowski. Grundsätzlich sollte man ab 2.500 m Höhe maximal 300 bis 500 m pro Nacht weiter aufsteigen. Die Weiterreise nach Potosí trotz bereits bestehender Symptome sei ein Fehler gewesen.

Statt einer nur kurzzeitigen Sauerstoffgabe hätte diese kontinuierlich erfolgen müssen, verbunden mit einem Abstieg. Schmerzmedikamente könnten nur die Symptome bessern, aber nicht die Akklimatisierung beschleunigen. Acetazolamid wurde korrekt verordnet und dosiert, hätte aber früher gegeben werden müssen. Dass der Trip für den Patienten so glimpflich ausgegangen ist, war wohl eher Glück, so der Experte. Vor derartigen Reisen sollte stets eine höhenmedizinische Konsultation stattfinden.

Quelle: Plazikowski EJ. Flug u Reisemed 2024; 31: 158-161; DOI: 10.1055/a-2357-6403