Pflegepersonal-Stärkungsgesetz Ärzte leider nur am Rande mit im Boot
Hinzu kommt, dass vieles ungeklärt bleibt. Zum Beispiel, ob die finanziell voll von den Krankenkassen zu tragenden 13.000 neuen Stellen für die stationäre Altenpflege so schnell Abhilfe schaffen können. Denn woher all die Pflegekräfte plötzlich kommen sollen, weiß bisher niemand. Zudem fürchtet Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann aus gutem Grund, dass die neuen gesetzlichen Bestimmungen einen Sog an Pflegekräften in die besser dotierten Stellen im Krankenhaus auslösen und die Pflegeheime personell weiter abgehängt werden.
Hoher Handlungsbedarf
An die Ärzte hat der Minister leider nur am Rande gedacht, indem er z. B. die Digitalisierung vorantreiben will, was einer besseren Kommunikation von Ärzten und Pflegekräften durchaus zugutekommen könnte. Das trifft sicher auch für das Vorhaben zu, die Anwendung von Sprechstunden per Video als telemedizinische Leistung zu erweitern, wobei hier alles sehr unkonkret bleibt. Der Handlungsbedarf ist enorm: Bei der fachärztlichen Versorgung sieht es ganz besonders schlecht aus. Nur die wenigsten Fachärzte sind heute noch bereit, Hausbesuche bei Pflegebedürftigen zu fahren oder Heime aufzusuchen. Auch Hausärzte wägen heute zunehmend ab, ob sie sich Haus- und Heimbesuche noch leisten können. Deshalb müssen neue Anreize geschaffen werden.
Die Antwort der Bundesregierung darauf, die Frist für den Abschluss eines Kooperationsvertrags über die KV zwischen einem Heim und einem niedergelassenen Arzt von 6 auf 3 Monate verkürzen zu wollen, wird da nicht viel weiterhelfen. Weit besser wäre es gewesen,
- strukturell wie finanziell Netzwerke zu stärken, in denen sich ein Pool von Haus- und Fachärzten mit der Betreuung pflegebedürftiger Patienten abwechseln kann;
- die Anstellung hausärztlich tätiger Ärzte in einem Pflegeheim zu erleichtern, so wie dies im Berliner Sanatorium West in einem Pflegeheim mit Institutsermächtigung seit Jahren erfolgreich praktiziert wird;
- neue und zeitgemäße Versorgungsmodelle zu fördern, wie etwa die hausärztliche Versorgung mit Unterstützung der Telemedizin. Die hausärztliche Internistin Irmgard Landgraf praktiziert dies in Berlin seit Langem erfolgreich. Von ihrer Praxis aus kann sie auf eine elektronische Pflegedokumentation in 2 Pflegeheimen zurückgreifen, in die sie zweimal täglich hineinschaut und so sofort auf Veränderungen reagieren kann. Diese Versorgungsform klappt so gut, dass sogar Krankenhausaufenthalte vermieden werden können.
Heimärzte gesucht!
Solche innovativen Modelle könnten gerade für technikaffine jüngere Allgemeinärzte eine neue Überlegung wert sein, auch in Zukunft noch (Tele-)Haus- oder Heimarzt zu werden. Denn die fachliche Qualität eines Pflegeheims hängt nicht nur von einer guten Pflege, sondern auch von der Präsenz von Ärzten ab. Das, lieber Herr Spahn, scheinen Sie bei aller berechtigten Sorge um die Pflege vergessen zu haben, fürchtet
Ihr
Raimund Schmid
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (14) Seite 26
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.