Auf Hausbesuch beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung
Was es bedeutet, alt zu sein, hat Allgemeinarzt Dr. Wolfgang Hoppenthaller beim MDK am eigenen Leib erfahren. Beim Tag der offenen Tür stieg der Exvorsitzende des Bayerischen Hausarztverbandes in einen Alterssimulator, einen speziellen Anzug, der einen die typischen Einschränkungen älterer Menschen hautnah und realistisch erleben lässt.
Dr. Hoppenthaller wollte aber noch mehr erfahren vom MDK. Der Arzt erlebt den Begutachtungsservice des von der GKV getragenen Dienstes häufig als Instanz, die seinen Patienten Leistungen verweigert und Ansprüche abweist. Erst kürzlich, so erzählte er Medical Tribune, habe der MDK einer 80 Jahre alten Frau nach einem Sturz eine Anschlussheilbehandlung abgelehnt – ohne ein Wort mit dem behandelnden Arzt gesprochen zu haben. Auch Heilmittelverordnungen würden oft nicht akzeptiert.
„Das geschieht immer häufiger“, beklagte Dr. Hoppenthaller, „ohne dass jemand vom MDK das Telefon in die Hand nimmt und mit dem Hausarzt des Patienten spricht.“ Für den Hausarzt bedeutet das viel Zeit und Arbeit, um die Ansprüche von Patienten durchzusetzen.
Leistungsbegehren sachgerecht beurteilen
Dr. Hoppenthaller ist überzeugt, dass eine Sparstrategie der Kassen dahintersteckt. Er war deshalb zum Tag der offenen Tür gereist, um darüber mit den Verantwortlichen zu sprechen. Wenn der MDK schon nicht zum Hausarzt kommt, muss der Hausarzt eben zum MDK gehen.
Dr. Michael Röder, Leiter der Region Ost des MDK in Deggendorf, weiß um die Probleme, macht dafür aber die Umstände verantwortlich. „Wir stehen in einem starken Spannungsfeld des Wettbewerbs der Beteiligten im Gesundheitswesen“, sagte er diplomatisch. Der MDK soll unabhängig bewerten. Der Kostenträger müsse das Leistungsbegehren des Versicherten wirtschaftlich und sachgerecht beurteilen. „Das verursacht nicht immer glückliche Gesichter.“
Der ausgebildete Chirurg arbeitet seit 13 Jahren beim MDK. Dieser versteht sich als „unabhängig“, obwohl er eine Organisation der GKV ist. Unter Dr. Röders Regie sind in Deggendorf ca. 30 Mitarbeiter tätig, darunter sieben Ärzte, 13 Pflegekräfte sowie Assistenzpersonal und Auditoren. Haupttätigkeitsfelder sind derzeit die Einteilung der Patienten in Pflegestufen sowie die Qualitätsprüfung der Pflegeeinrichtungen.
Der Gesetzgeber hat dem MDK jetzt noch die Qualitätsprüfung der Krankenhäuser aufgetragen. Dort soll der MDK, wie bei den Pflegeeinrichtungen, unangemeldet mit mehreren Fachleuten die Qualität der Versorgung überprüfen. Kritiker sprechen von „Rollkommandos“.
Bemühen um mehr Qualität – stationär wie ambulant
Ob das eines Tages auch auf die Praxen der Vertragsärzte ausgeweitet wird, ist eine offene Frage. Laut Koalitionsvertrag soll Qualität jedenfalls nicht nur im stationären Sektor, sondern auch als Kriterium zur Teilnahmeberechtigung an der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung gestärkt werden. Und das neue Qualitätsinstitut soll sektorübergreifend Routinedaten sammeln, auswerten und einrichtungsbezogen veröffentlichen. Wie das konkret aussieht, steht nicht im Koalitionsvertrag.
Fakten zum MDK
Der MDK Bayern, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, gliedert sich in fünf Regionen mit 24 Beratungs- und Begutachtungszentren sowie in die Bereiche „Sozialmedizin“ und „Pflege“.
Der MDK Bayern wird über eine Umlage finanziert, die je zur Hälfte von der Kranken- und der Pflegeversicherung getragen wird. Der Umlagebetrag wird auf Basis der Anzahl der Mitglieder der Krankenkassen ermittelt, für die der MDK zuständig ist. Derzeit beträgt die jährliche Umlage 14,10 Euro je Mitglied.
Personal (2013): 1126, davon 275 Ärzte, 361 Pflegefachkräfte, 336 Teamassistenten und 66 Kodier- und Dokumentationsassistenten.
Sozialmedizinische Leistungen für die GKV (2013): 755 143 Fallberatungen und 372 679 Gutachten. Häufige Anlässe: stationäre Leistungen (35 %), AU (23 %), Vorsorge/Reha (15 %), ambulante Leistungen (10 %).