Homöopathie „Der Ball liegt im Politischen“

Gesundheitspolitik Autor: Anouschka Wasner

Der Streit um die Homöopathie ist noch nicht zu Ende. Der Streit um die Homöopathie ist noch nicht zu Ende. © Björn Wylezich – stock.adobe.com

Ein weiterer Vorhang in der gesellschaftlichen Diskussion um die Homöopathie in der ärztlichen Therapie: Eine Bundestagspetition hat das Beibehalten der Erstattungsregeln für homöopathische und anthroposophische Arzneimittel und Leistungen gefordert. Wie dieser Akt des Stückes verlief – und was zuletzt geschah.

Über eine Bundestagspetition hat das Bündnis „Weil’s hilft“ die Beibehaltung der Erstattungsregelung für homöopathische und anthroposophische Arzneimittel und Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung gefordert. Die im Rahmen des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) angekündigten Änderungen sollen verworfen werden. Vertreten wurde die Kampagne, die 200.000 Unterschriften gesammelt hatte, von Dr. Stefan Schmidt-Troschke, Geschäftsführer von „Gesundheit aktiv“ und Kinderarzt in Berlin, sowie Prof. Dr. Dr. rer. nat. Diana Steinmann, Leiterin des Klaus-Bahlsen-Zentrums für Integrative Onkologie. 

Eine Streichung bedrohe die Wahlfreiheit der Patienten und den Zugang zu den aus ihrer Sicht wirksamen und kosteneffizienten Therapiemethoden, erklärten die Petenten. Die Kostenersparnis von 0,03 % der Gesundheitsausgaben sei nicht nennenswert. Im Gegenteil: Im Fall der Streichung der Satzungsleistung sei mit einer Kostensteigerung zu rechnen, da dann andere Verfahren in Anspruch genommen würden, die zulasten der Solidargemeinschaft gehen.

Das Bundesministerium für Gesundheit wurde in der Anhörung vom parlamentarischen Staatssekretär Prof. Dr. Edgar Franke (SPD) vertreten. Dieser berief sich mehrmals darauf, dass die Streichung im Kabinettsentwurf des GVSG gar nicht mehr enthalten ist. Vor dem Hintergrund, dass der Bundesgesundheitsminister es begrüßen würde, wenn die von ihm gewünschte Änderung in dem nun beginnenden parlamentarischen Prozess doch noch ins Gesetz eingebaut würde, betonte der BMG-Staatssekretär: „Der Ball liegt jetzt im Politischen.“ 

Prof. Franke erklärte auch den Hintergrund: Den Vorstoß zur Streichung der Satzungsleistung hatte Prof. Dr. Karl Lauterbach mit fehlender wissenschaftlicher Evidenz für die Wirksamkeit begründet. Zudem, so der Minister, werde suggeriert, dass es sich um eine wirksame Behandlungsmethode handele und deswegen Erkrankungen möglicherweise unzureichend schulmedizinisch behandelt würden.

Keine einzige Zulassung über Wirksamkeitsnachweis

Mehrfach angeführt wurde von den Ministeriumsvertretern außerdem, dass es bislang kein homöopathisches Arzneimittel über den – für pharmazeutische Arzneimittel alternativlosen – Weg eines Wirksamkeitsnachweises über eine anerkannte Studie in den Verkauf und die Apotheken geschafft hat.

Dass die Mittel trotzdem dort zu finden sind, ist auf eine Ausnahmeregelung für „besondere Therapierichtungen“, zu denen Phytotherapie, Homöopathie und Anthroposophie gezählt werden, zurückzuführen. Sie beruht auf einem Gesetz von 1976, das es Therapeuten erlaubt, sich auf die medizinischen Erfahrungen in der jeweiligen Therapierichtung zu berufen. 

Heute erhalten nach den Regelungen im deutschen Arzneimittelgesetz viele homöopathische Mittel mit einer schlichten Registrierung Marktzugang. Wird zu dem homöopathischen Mittel ein Wirksamkeitsgebiet angegeben, wird ein Zulassungsverfahren notwendig, für das klinische Studien vorliegen müssen (die bislang noch nie vorgelegt wurden) oder anderes „wissenschaftliches Erkenntnismaterial“. Nach dem Prinzip des Binnenkonsens beruht dieses Erkenntnismaterial z.B. auf Anwendungsbeobachtungen bzw. Monographien der für Homöopathie zuständigen Kommission, in der wiederum Sachverständige aus dem Bereich der Anwendung beteiligt sind – meist Homöopathen. 

Was macht das Solidarprinzip für alle akzeptabel?

Aus den Reihen der Parteien wurden die Petenten bzw. die Vertreter des BMG gefragt, ob die Patienten, die vom Petenten vertreten werden, ausreichend zur Wirksamkeit der Mittel aufgeklärt seien (SPD), wie sinnhaft das Einsparungspotenzials der Maßnahme des Gesundheitsminister sei (CDU), ob die erfahrene Wirkung von Homöopathie auch darauf beruht, dass homöopathische Ärzte mehr Zeit für die Anamnese haben (Bündnis 90/Die Grünen), welche Wettbewerbspotenziale die Zusatzleistung birgt (FDP) und welche Kriterien an erstattungsfähige Mittel angelegt werden sollten, damit das Solidarprinzip auch in Zukunft allseits akzeptiert werde (Linke).

Die Diskussion zu diesen nachvollziehbaren Fragen folgte oft den bekannten Argumentationsmustern der gesamtgesellschaftlichen Diskussion: Die Petenten argumentierten in weiten Strecken mit persönlichen Erfahrungen, es ging viel um Präferenzen von Patienten und selbst Staatssekretär Prof. Franke erinnerte sich an persönliche Erfahrungen im engsten Familienumfeld. Zitiert wurden Umfrageergebnisse, die die Hinwendung zur Homöopathie belegen sollten, sich allerdings auf sogenannte Naturmedizin – also z.B. auch Phytomedizin – bezogen und zudem unvollständig zitiert wurden, sowie Studienergebnisse, die in der Wissenschaftsgemeinde weiterhin nicht als Belege anerkannt sind. 

Die Diskussion um Homöopathie und Anthroposophie in der ärztlichen Versorgung wird seit einiger Zeit verschärft auch in den eigenen Reihen geführt. Nachdem bereits in den letzten Jahren die Bundesärztekammer sowie fast alle Landesärztekammern die Homöopathie aus ihren Weiterbildungsordnungen gestrichen haben (die Zusatzbezeichnung hat übrigens keinen Einfluss auf die Leistungsabrechnung), beschloss nun im Mai der 128. Deutsche Ärztetag einen Antrag, dass die Homöopathie weder als Kassenleistung zur Abrechnung kommen soll noch in der GOÄ Erwähnung finden soll (aktuell GOP 30/31 für die homöopathische Erst- und Folgeanamnese). Die Entscheidung der Delegierten fiel allerdings erst nach lebhafter Debatte und recht knapp mit 116 Ja- zu 97 Nein-Stimmen aus. 

Den Antragstellenden ging es um die Beendigung der Sonderstellung, die der Homöopathie eingeräumt wird, nicht um ein Verbot der Therapierichtung. Im Beschluss enthalten ist die Forderung, die rechtliche Bewertung von Homöopathika als Arzneimittel, die Binnen-Konsensregelung sowie die Apothekenpflicht zu beenden. 

Begründet wurde der Antrag u.a. damit, dass der Beirat der Europäischen Wissenschaftsgemeinschaften bereits 2017 festgestellt hatte, dass die Behauptungen zur Homöopathie unplausibel sind und nicht mit etablierten wissenschaftlichen Konzepten übereinstimmen; zudem untergrabe das Anwenden von Homöopathie generell das Vertrauen der Patienten und der Öffentlichkeit in die Naturgesetze.

Der stattgegebene Antrag schließt mit den Worten: „Pseudomedizinische Methoden wie die Homöopathie gehören nicht in ärztliche Hände. Durch ihre Anwendung durch Ärztinnen und Ärzte wird das notwendige Vertrauen in die Medizin als Fachgebiet sowie die Wissenschaft allgemein untergraben.“ Jetzt gilt auch hier: Der Ball liegt im Politischen. 

Medical-Tribune-Bericht