Praxiskolumne Der Doktor im Dixi-Klo

Kolumnen Autor: Dr. Michael Feld

Vom Roboterarm bis hin zu QR-Codes - wie dem Ärztemangel in China oder den USA entgegengewirkt wird. Vom Roboterarm bis hin zu QR-Codes - wie dem Ärztemangel in China oder den USA entgegengewirkt wird. © ipopba – stock.adobe.com

China hat 1,4 Milliarden Einwohner. Und China hat, genauso wie die USA und wir, ein Demografieproblem und damit auch ein massives Personalproblem im Gesundheitswesen. In China gibt es Landstriche ohne einen echten Arzt bzw. Ärztin. Wer wissen will, wie es bei uns in zehn Jahren aussieht, der schaut in die USA und für die nächsten 15 bis 20 Jahre nach China.

Der Ärztemangel trifft nahezu jedes Land, in dem die Menschen älter werden und die Geburtenrate sinkt. Dazu gesellt sich eine andere Arbeitseinstellung junger Leute und eine immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen dem, was medizinisch alles möglich ist, und dem, was umlagefinanzierte Sozialversicherungen und bald auch Privatkassen bezahlen können oder wollen.

Anfang der 1990er-Jahre kamen die ersten zentralen Notdienstpraxen in Deutschland auf. Sie nahmen der Hausärztin/dem Hausarzt die traditionelle Versorgung der eigenen Schäfchen abends und am Wochenende ab. Hausbesuche wurden nicht mehr gut bezahlt und die Doktoren alter Schule, die rund um die Uhr für ihre Klientel da waren und denen dafür auch ganze Straßenzüge gehörten („Hausarzt“ bedeutete damals „Arzt, der viele Häuser hat“), wurden weniger. 1993 führte Horst Seehofer (CSU) die Niederlassungssperre ein. Myriaden an Assistenzärztinnen und -ärzten ohne Facharzttitel verließen schnell die Krankenhäuser, um sich noch einen kostenfreien KV-Sitz als Praktische Ärztin bzw. Arzt zu sichern, bevor dann die Bedarfsplanung zuschlug. Drei Jahre später führte Seehofer den Kostendeckel (Budgets) für die Praxen ein.

Einzelpraxis lässt sich nur selten für den Ruhestand versilbern

In Grevenbroich sind derzeit zehn Hausarztsitze unbesetzt, in Gummersbach 18. Einzelpraxen sind kaum noch veräußerbar. Der einst für die Rente eingeplante Verkaufserlös ist futsch. Immer mehr MVZ und Mehrfachpraxen übernehmen die Rolle der klassischen Einzelpraxis mit festem Ansprech- und Vertrauenspartner. Würden aber Kliniken und Investoren diese MVZ nicht gründen und betreiben, hätten wir bald gar keine Versorgung mehr.

Als nächste Stufe sollen Primärarztzentren kommen, eine ähnliche Entwicklung wie die Urgent-Care-Clinics in den Vereinigten Staaten. Das sind anonyme Praxen to go, die fast immer auf sind, in denen man ohne lange Wartezeiten Basis- und Routineuntersuchungen (Blut, Urin, Ultraschall) bekommt – so wie bei uns im Ärztlichen Notdienst. Nur gibt es keine konstanten Gesichter und Gesprächspartner mehr. „Mein(e) Hausärztin/-arzt“ ist ein aussterbendes Modell. Der Arzt als Arznei kommt in der Zukunftsplanung moderner wie überalterter Gesellschaften nicht mehr vor.

Noch krasser ist es in China. Dort gibt es immer mehr sogenannte One-Minute-Clinics. Das sind Boxen, die an Telefonzellen oder Dixi-Klos erinnern. In denen stellt ein Arzt-Avatar am Bildschirm die richtigen Fragen und in 90 % der Fälle auch die richtige Diagnose. In ein Loch in der Wand kann man seine Urinprobe geben. Ein Roboterarm nimmt der Patientin oder dem Patienten Blut ab. Nach fünf Minuten bekommt sie oder er einen QR-Code ausgedruckt, mit dem die Person in der Box nebenan, wie am Cola-Automaten, ihre Medikamente ziehen kann. Und das klappt sogar.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht