Die Flüchtlinge sind für uns kein Problem
Die Flüchtlingsproblematik hat uns seit Wochen fest im Griff. Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen der medizinischen Versorgung in unseren Praxen und unserer – warum nicht auch eigennützigen? – Beteiligung an der politischen Diskussion. Bei der Versorgung wiederum muss differenziert werden zwischen Freiwilligendiensten, etwa in Aufnahmelagern, und Leistungen in der eigenen Praxis.
Bund und Länder konnten sich beim Flüchtlingsgipfel am 24. September auf keine bundesweite Regelung einigen. Die Rahmenvorgaben werden in jedem Bundesland und manchmal sogar von Landkreis zu Landkreis unterschiedlich umgesetzt. Deshalb empfehle ich, verbindliche Auskünfte vor Ort einzuholen. Die Einführung einer Gesundheitskarte bleibt den Ländern überlassen. Bislang bieten nur Hamburg und Bremen sie an.
Die Kosten für Dolmetscher werden vom zuständigen Sozialhilfeträger übernommen
Generell erhalten Asylbewerber die Karte nach 15 Monaten. Die Behandlungen werden dann regulär über die KVen abgerechnet. Diese müssen sich dafür starkmachen, dass Leistungen für Asylbewerber zumindest für einige Jahre extrabudgetär vergütet werden. Die Gesamtvergütung wird dann um die Zahl der Asylanten – in der Regel gesunde junge Menschen – erhöht, was mit dem richtigen Verhandlungsergebnis zunächst einmal kein Nachteil ist, beträgt doch die Kopfpauschale für einen Flüchtling, wie für jeden GKV-Versicherten auch, 70 Euro pro Quartal.
Für die ersten 15 Monate gibt es bei den Sozialämtern, Städten und Kreisverwaltungen Behandlungsscheine, die der Flüchtling mitbringt. Die Leistungen werden ebenfalls mit 70 Euro pro Flüchtling extrabudgetär vergütet. Vor Sätzen wie „Ich behandle die armen Menschen umsonst“ sollten wir uns hüten, weil wir uns das nicht leisten können. Die Versorgung von Flüchtlingen wird uns noch sehr lange beschäftigen, ist mit erheblicher Arbeit verbunden und kann nicht nebenbei miterledigt werden.
"Armut und Gesundheit" bietet Zeigewörterbücher und Anamnesebögen in verschiedenen Sprachen
Kommen Flüchtlinge in die Praxis, stehen die Räder erst einmal still, was die Stammpatienten zunehmend ärgert. Jetzt gilt es zu klären, welche Beschwerden die Flüchtlinge haben. Mit Zeichensprache kommt man bei akuten schmerzhaften Erkrankungen weiter, als man denkt, trotzdem muss in der Regel ein Dolmetscher helfen. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) werden die Kosten für den Dolmetscher vom zuständigen Sozialhilfeträger übernommen.
Das muss aber vorher geklärt werden – was im akuten Fall (Notfall/Vertretungsschein Muster 19) nicht klappt. Hier haben sich Zeigewörterbücher und Anamnesebögen in verschiedenen Sprachen bewährt, zu beziehen z.B. beim Verein Armut und Gesundheit in Mainz. Im AsylbLG ist der Behandlungsanspruch auf akute Erkrankungen und Geburtshilfe beschränkt. Hoher Blutdruck darf also von uns nicht behandelt werden, erst frühestens ab der TIA dürfen wir tätig werden. Hier ist unsere Kompetenz (Unterlaufen) gefragt.
Behandlungsanspruch besteht nur für akute Erkrankungen und Geburtshilfe
Wir würden uns aber auch über eine Rückendeckung unserer Kassenärztlichen Vereinigung freuen, wie in Baden-Württemberg, wo die KV chronische Erkrankungen als „akut“ deklariert hat. Mit einem gültigen Behandlungsschein, der auch als Überweisungsschein gilt, ist bei Rezepten „zuzahlungsbefreit“ anzukreuzen, für Heil- und Hilfsmittelverordnungen muss die Genehmigung des Kostenträgers eingeholt werden.
Die Forderung nach einem Abschaffen der bürokratischen Hürden ist ein zweischneidiges Schwert. Aus rein medizinischer Sicht sicherlich zu verstehen, obwohl wir im Ernstfall niemand nicht behandeln. Doch wir müssen auch an eine unbudgetierte Leistungserbringung denken. Außerdem vermindert die mehrfache Registrierung von Flüchtlingen die Gefahr einer Unterwanderung mit beispielsweise IS-Anhängern.
Gehen Sie dazwischen, wenn es rassistisch wird!
Damit bin ich bei der Beteiligung an der politischen Diskussion. Inwieweit Sie sich in der Praxis daran beteiligen, überlasse ich Ihnen. Es kostet viel Zeit, ist meistens sehr frustrierend, heizt die Stimmung in der Praxis an und nervt Ihr Personal. Das heißt aber nicht, dass Sie – egal was da gesagt wird – immer schweigen. Spätestens bei Sätzen wie „In Buchenwald ist Platz genug“ sollten Sie meines Erachtens massiv dazwischengehen.
Außerhalb der Praxis sollten wir uns auf jeden Fall an der öffentlichen Diskussion beteiligen. Das ist die Chance, die wir nutzen sollten, um auch auf die Ängste und Probleme der Ärzteschaft hinzuweisen: Wir sind es leid, immer wieder – wie aktuell mit dem Antikorruptionsgesetz – diskriminiert, diszipliniert und stigmatisiert zu werden. Vor dem Hintergrund dieses „Ärzte-Bashings“ verstehen wir unseren Nachwuchs und können ihn eigentlich nur ermutigen, sich nicht für die Niederlassung zu entscheiden.