Hausarztverträge Die Spreu vom Weizen trennen

Kolumnen , Gesundheitspolitik Autor: R. Schmid

Da kommt Freude auf. Nicht nur die AOK Baden-Württemberg, nein, alle Krankenkassen in Baden-Württemberg wollen ihre Verträge zur Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) fortsetzen. Sogar die Ersatz- und Betriebskrankenkassen, deren Verträge erst per Schiedsspruch unter Dach und Fach gebracht werden konnten, sind weiter mit dabei. Die HzV steht also in Baden-Württemberg nicht zur Disposition, weil die Vertragspartner diese Verträge auch tatsächlich wollen.

Müssen Kassen zu HzV gezwungen werden?

Für die HzV ist Baden-Württemberg wirklich ein Musterländle. Darüber hinaus ist aber wenig mustergültig. Die politischen Parteien liegen wegen der HzV im Clinch, die Ärzte sind sich uneins und die Patienten blicken angesichts des Vertragswirrwarrs ohnehin nicht mehr durch. Auch die Meinungen von Experten klaffen weit auseinander. Jüngstes Beispiel dafür ist das Gutachten der Heinrich-Böll-Stiftung, erstellt im Auftrag von Bündnis90/die Grünen. Auch dort kein einheitliches Bild. So plädiert die Böll-Stiftung zwar dafür, die völlig unsinnige Vorab-Refinanzierungsregel von Hausarztverträgen zu streichen. Andererseits sollen aber die Krankenkassen künftig nicht wieder verpflichtet werden, ihren Versicherten eine HzV anbieten zu müssen. Genau diese Regelung, die noch zu Zeiten der Großen Koalition gegolten hatte, will der Hausärzteverband ja wieder durchboxen und daher zum Top-Wahlkampfthema hochstilisieren.

Ist das politisch aber tatsächlich der richtige Weg? Sicher wiegt das Argument des Hausärzteverbandes schwer, dass nur dann die Position der Hausärzte finanziell wie strukturell gestärkt werden kann, wenn die Kassen innovative Hausarztverträge abschließen müssen. Andererseits sind in einem freien System gesetzlich aufgebürdete Zwänge nicht immer zielführend. Das hat die HzV-Vergangenheit ja deutlich gezeigt. Kassen, die nicht auf den HzV-Zug aufspringen wollten, fanden immer Schlupflöcher, gesetzlich verankerte Verträge zu unterlaufen oder zumindest zu verzögern. Und auch die jüngste Volksabstimmung in der Schweiz hat gezeigt, dass sich Versicherte bestimmte Versorgungsformen wie die Integrierte Versorgung nicht aufzwingen lassen wollen. Drei Viertel der Schweizer haben sich gegen gesetzlich aufgebürdete Managed Care Programme in der Regelversorgung ausgesprochen und wollen lieber bei der freien Arztwahl bleiben.

Versorgungsqualität ist entscheidend

Die uneingeschränkt freie Arztwahl hat auch hierzulande große Bedeutung. Doch wie kann es gelingen, die HzV fester im System zu etablieren, ohne an diesem hohen Gut zu rütteln? Finanzielle Anreize allein reichen hierfür nicht aus. So zahlt die Bosch BKK ihren Versicherten, die am Hausarztprogramm teilnehmen, künftig einen jährlichen Bonus von 40 Euro. Das ist genau der Betrag, den die Patienten bisher an Praxisgebühr gespart haben, wenn sie sich in die HzV eingeschrieben haben.

Mit Qualität hat dieses Lockangebot aber nicht viel zu tun. Dies trifft für den AOK-Hausärztevertrag in Bayern schon eher zu. Dort werden jetzt die Hausärzte aus dem Vertrag ausgeschlossen, die trotz mehrfacher Mahnungen nicht die erforderlichen Qualifikationsnachweise bei der Geriatrie und der Psychosomatik liefern. Das ist zwar nicht unbedingt die feine Art, aber dennoch zu begrüßen. Warum? Die Versicherten können so stets darauf vertrauen, von Ärzten betreut zu werden, die stets auf dem Laufenden sind. Und für die Krankenkassen werden Selektivverträge wieder deutlich attraktiver, weil sie nachweisen können, dass die Qualitätsanforderungen an die Ärzte höher sind als in der Regelversorgung. Das lässt sich nach innen und außen gut verkaufen, weil so auch bei der HzV die Spreu vom Weizen getrennt wird. Da die Kassen Qualität zur obersten Maxime erklärt haben, würden sich dies auf Dauer wohl nicht nur die Kassen im Ländle etwas kosten lassen,

meint Ihr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (6) Seite 52
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.