GOÄ-Reform Die unendliche Geschichte

Gesundheitspolitik , Kolumnen Autor: Eckhard Brüggemann

© Ilse Rohrmann

Obwohl seit 9 Jahren im Ruhestand habe ich interessiert das innerärztliche Hickhack um die GOÄ-Reform verfolgt. Sofort fühlte ich mich in die Zeit meiner berufspolitischen Tätigkeit zurückversetzt. Damals war ich für den Hausärzteverband in das Gremium der Ärzteverbände bei der Bundesärztekammer (BÄK) noch nach Köln beordert, das sich da schon mit der völlig veralteten GOÄ auseinandersetzte.

Innerärztlicher Zwist

Mit meinem Statement habe ich mir damals den Zorn der Fach- und Klinikärzte zugezogen, weil ich zunächst die Verlogenheit und egoistische Stoßrichtung vieler Beiträge selbiger Verbände angeprangert habe. Ich kann mich noch genau an meine damaligen Essentials für eine Reform aus Hausärztesicht erinnern, die zuvor im Vorstand unseres Verbandes konsentiert worden waren. Prinzipiell waren damals die Privaten Kassen mit unseren Vorschlägen einverstanden:

1. Trennung der GOÄ in eine für ambulante Behandlung und eine weitestgehend pauschalierte für die Kliniken und deren Spezialambulanzen mit festgelegten Tagessätzen.

2. Ein eigenes Kapitel für die Primärärztliche Versorgung. Eine Conditio sine qua non!

3. Angemessene Anhebung der nicht technikinduzierten und dynamisierten Leistungen, die nach wie vor viel zu niedrig bewertet werden.

4. Danach Reduzierung des Steigerungssatzes auf das maximal 2-Fache vom bisher möglichen 3,5-Fachen.

Man kann sich kaum den Sturm der Entrüstung vorstellen, den unsere Vorschläge entfacht haben. Und genau an diesen Punkten ist der innerärztliche Streit wieder ausgebrochen und hat das Vorhaben scheitern lassen. Wenn man jetzt glaubt, mit Herrn Montgomery, dem Präsidenten der BÄK, besser zu fahren, so täuscht man sich in Wahrheit gewaltig. Ich kann mich noch an die damalige Aussage des besagten Kollegen erinnern: "Für die Primärärztliche Tätigkeit muss die universitäre Ausbildung reichen, eine qualifizierte mehrjährige Weiterbildung für die hausärztliche Tätigkeit ist nicht notwendig." Davon geht der Marburger Bund eigentlich weiterhin aus.

Deshalb wird auch ein eigenständiges Hausarzt-Kapitel in der neuen GOÄ kategorisch als überflüssig abgetan. Hier sind sich Fach- und Klinikärzte sehr schnell einig. Genau diese Gruppe stößt sich auch besonders an der Reduzierung des Multiplikators, gewährt ihnen nach meinen reichlichen Erfahrungen mit Privatliquidationen insbesondere aus Klinikabteilungen der erhöhte Steigerungssatz doch eine nicht unerhebliche Einnahmequelle. Die Begründungen werden standardisiert aus der EDV von den Sekretärinnen hinzugefügt, oft ohne jede echte Mehrarbeit oder Schwierigkeit in der Ausführung des Arztes.

Die Krankenhausrechnungen strotzen oft nur so von überflüssigen Labor- und Technikleistungen. Jeden Tag aufs Neue. Zwei Mammakarzinom-Erkrankungen im engsten Umfeld und die laufenden Nachsorgetermine belegen eindeutig, dass ein hoher Prozentsatz der durchgeführten Leistungen für die Prognose und den Verlauf der Erkrankung keinerlei Aussagekraft besitzt. Man denkt unwillkürlich an Automatenmedizin zum Wohle der Geldbörse. Die Übermedikalisierung gerade bei Privatpatienten ist nicht von der Hand zu weisen.

Mangelnde Anerkennung für Hausärzte

Fazit: An der prekären Situation der Allgemeinmedizin und der hausärztlichen Tätigkeit durch mangelnde Anerkennung innerhalb der Ärzteschaft und deren Körperschaften hat sich seit Jahrzehnten nichts grundlegend geändert. Auch die Flut der "Teilzeitärztinnen" wird die primärärztliche Versorgung nicht retten. In der GOÄ-Reform fokussieren sich diese innerärztlichen Spannungen. Ich sehe schon lange keine andere Lösungsmöglichkeit, als dass die Politik das Heft in die Hand nimmt.

KVen und Kammern müssen für die Hausärzte – ohne Mitspracherecht der Fachärzte – eigenständig handeln können. Eine GOÄ-Reform ist mit den Hausärzten schnell umzusetzen. Die vielbeschworene Einheit der Ärzteschaft ist schon lange eine Chimäre. Das alte Gewerkschaftskonzept der Patientenversorgung durch das Konzert der Fachärzte rückt immer näher – mangels Hausarztmasse. Ob zum Wohle der Patienten möchte ich doch stark bezweifeln.

Dr. med. Eckhard Brüggemann


Dr. med. Eckhard Brüggemann, Jahrgang 1940, ist Facharzt für Allgemeinmedizin. Von 1985 bis 1995 war er Vorsitzender des Fachverbands Deutscher Allgemeinärzte (FDA), und nach dessen Fusion mit dem Berufsverband der Praktischen Ärzte und Allgemeinärzte (BPA) bis 2004 Mitglied im Bundesvorstand des Deutschen Hausärzteverbands.

Anmerkung: Die Meinung des Autors gibt nicht unbedingt die Ansicht der Redaktion wieder.

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (16) Seite 30-32
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

Ein Bild aus früheren Tagen (1999): Dr. med. Eckhard Brüggemann in der Mitte, links Prof. Klaus-Dieter Kossow, rechts Dr. med. Diethard Sturm Ein Bild aus früheren Tagen (1999): Dr. med. Eckhard Brüggemann in der Mitte, links Prof. Klaus-Dieter Kossow, rechts Dr. med. Diethard Sturm © Frank H. Mader