Hausarzt mit Herz Erlebnisse eines Treppentigers

30 Schmunzelgeschichten
"Herr Doktor, Sie sind doch der Arzt", ISBN: 978-3-87409-712-3, 1. Auflage 2020, 72 Seiten, 9,90 €
Was hat Sie auf die Idee gebracht, die Erlebnisse in Ihrer Hausarztpraxis in Form kurzer, humoristischer Geschichten – der journalistische Fachausdruck dafür lautet "Glossen" – zu Papier zu bringen?
Dr. Meyer: Mich haben schon immer die Geschichten "um die Leute herum" interessiert. Das kann bei mir schon mit einer journalistischen Ader zusammenhängen, die in mir schlummert und mich antreibt, gerne mal hinter die Kulissen zu schauen. Diese Zusammenhänge sind im medizinischen Verständnis ja auch wichtig, um Erkrankungen oder deren Entstehung besser einordnen und vielleicht auch einen kausalen Behandlungsansatz ableiten zu können.
Gerade der Hausbesuch, die mühsame Tätigkeit als "Treppentiger", liefert einem nicht selten entscheidende Aspekte und Einblicke in die Lebensumstände der von uns betreuten Menschen, die sich in der Praxis meist anders geben. Dass man dabei nicht selten auch kräftig schmunzeln muss, ist legitim. Oft genug wird man bei solchen Gelegenheiten aber auch sehr nachdenklich, demütig und bescheiden, wenn man sieht, wie manche Mitmenschen leben und arbeiten müssen.
Wenn man ein Gespür für solche Situationen hat, dann gibt es einem persönlich sehr viel, diese Erfahrungen im Rückblick reflektierend zu beschreiben, zur Diskussion zu stellen und liebevoll, ironisch oder manchmal auch ein bisschen bissig zu kommentieren. Die Anregung für diese Glossen kam bei einem Gespräch mit der Redaktion von Der Allgemeinarzt anlässlich der practica, wo ich als Referent tätig war. Ich war anfänglich sehr skeptisch, ob ich das stemmen könne. Immerhin gilt die Glosse als eine journalistische Königsdisziplin. Für nicht wenige Glossen habe ich mehr als ein Dutzend Entwürfe geschrieben, bis die Kernaussage in meinen Augen stimmig und rund, aber dennoch ein leichtes Augenzwinkern dabei war. Die ersten paar Sätze und die Überschrift sind am schwersten, wenn die erst mal stehen, geht es meist wie von selbst.
In Ihren Texten spürt man in jeder Zeile die Liebe zu Ihrem Beruf. Sind Sie Hausarzt aus Leidenschaft?
Dr. Meyer: Ja und nein! Nach dem Abitur habe ich Medizin studiert, weil ich mich für keinen Beruf so richtig entscheiden konnte. Ich habe schon als Schüler für unsere Lokalzeitung geschrieben und hatte deswegen auch das Angebot zu einem Volontariat in der Lokalredaktion. Konkurrenten waren ein Studium der Feinwerktechnik oder ein Lehramtsstudium mit Chemie und Physik.
Die Entscheidung zugunsten der Medizin fiel dann aufgrund der extrem vielen Optionen, die man nach einem Abschluss als Mediziner hat. Ich habe mir also durch das Medizinstudium eine weitere Bedenkzeit für die finale Berufswahl gewährt. Nach dem Studium habe ich aufgrund sehr positiver Erfahrungen im Praktischen Jahr zunächst eine HNO-Facharztausbildung abgeschlossen. Nach der Facharztprüfung habe ich mich dann entschieden, eine Ausbildung zum Allgemeinarzt anzuhängen. Ich wollte einfach mehr allgemeine und nicht nur spezialistisch-sektorale Medizin betreiben.
Als ich danach in die Allgemeinarztpraxis meines Zwillingsbruders eingestiegen bin, haben sich Neigung, Empathie und Leidenschaft zu einer sehr arbeitsintensiven Mesalliance zusammengeschlossen. Trotz dieser auch für eine Familie sehr belastenden Umstände habe ich immer Freude an meinem Beruf gehabt und glaube unverändert, dass es wahrscheinlich nur wenige Berufe gibt, die ähnlich vielseitig, bunt, belebend und mit positiven Verstärkungen verbunden sind wie der des Hausarztes.
Wen hatten Sie als Leserzielgruppe für Ihr Büchlein "Herr Doktor, Sie sind doch der Arzt" besonders im Auge?
Dr. Meyer: Eigentlich kann mein Büchlein jeder lesen: der Medizinstudent oder der Kollege, der noch unschlüssig ist, was er einmal tun will, oder damit liebäugelt, eine Hausarztpraxis zu eröffnen. Natürlich auch fertige Ärzte, die schon in einer Facharztausbildung drinstecken und sich noch nicht so ganz sicher sind, ob sie lieber allgemeinmedizinisch oder spezialistisch arbeiten wollen.
Ich habe mein Büchlein aber auch schon an Medizinische Fachangestellte und Krankenschwestern weitergegeben, denen das Krankenhaus- oder Praxismilieu vertraut ist. Ich denke aber auch an Patienten, weil sie dann vielleicht sehen, dass sich viele Hausärzte wesentlich mehr Gedanken um ihre Patienten machen, als es in der Hektik des Sprechstundenalltags erscheint, und im Übrigen redlich, ernsthaft und mit großem Einfühlungsvermögen für ihre Patienten da sind.
Die Redaktion bedankt sich für das Interview und freut sich auf weitere Glossen, die ab 2021 auch in der neuen Zeitschrift doctors|today fortgesetzt werden.
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (14) Seite 74-75
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.