Finger weg von der Beihilfe
Für Otto Normalverbraucher liest es sich natürlich gut, sofern er nicht gerade Staatsdiener ist. Eine neue Bertelsmann-Studie schlägt die Abschaffung der Beihilfe für Beamte vor und prognostiziert in diesem Zusammenhang, dass die öffentlichen Haushalte so bis 2030 um mehr als sechzig Milliarden Euro entlastet werden könnten.
Wie das funktionieren soll, verrät die Studie indes nicht. Schließlich ist die Beihilfe ein zentraler Baustein der grundgesetzlich garantierten Alimentation der deutschen Beamtenschaft. Zwei Drittel der rund drei Millionen privat versicherten Beamten und Pensionäre müssten in eine gesetzliche Kasse wechseln, weil sie unter der vorgeschriebenen Einkommensgrenze lägen.
So drängt sich der Verdacht auf, dass die im Vorfeld der Bundestagswahl veröffentlichte Studie den Boden bereiten soll für einen neuen Vorstoß zur Einführung der vor allem von der SPD immer wieder thematisierten Bürgerversicherung. In erster Linie ginge dies zulasten von Ärzten, Physiotherapeuten und Hebammen. Kein Wunder daher, dass deren Interessenverbände zu Recht auf die Barrikaden gehen.
"Es ist auch einfacher, beeindruckende Zahlen hinauszuposaunen"
In der Tat muss die Seriosität der Studie kritisch beurteilt werden, hat doch eine hieb- und stichfeste juristische Bewertung des Modells bislang überhaupt nicht stattgefunden. Es ist ja auch einfacher, auf den ersten Blick beeindruckende Zahlen hinauszuposaunen, als sich in die Niederungen von Verfassungs- und Beamtenrecht herabzulassen. Die plakative Verkündung nicht ausreichend überprüfter Einspareffekte steht der ansonsten stets um Glaubwürdigkeit bemühten Bertelsmann-Stiftung nicht gut zu Gesicht.
Die Annahme, dass die Kosten bei der Beihilfe in den nächsten Jahren wesentlich stärker steigen werden als bei den gesetzlichen Krankenkassen, ist derzeit durch nichts zu belegen. Annähernd realistische Schätzungen sind angesichts der Komplexität des Themas unmöglich, geben sogar Gegner der bisher geübten Praxis zu.
Über einen Beipackzettel verfügt die Studie denn auch nicht. Jedenfalls werden die mit ihr verbundenen Risiken und Nebenwirkungen nicht benannt. Die Dummen bei der geforderten Abschaffung der Beihilfe wären nämlich die Ärzte sowie die Vertreter anderer Gesundheitsberufe. Ihnen drohen gewaltige Einbußen, was die Infrastruktur und die Versorgungsqualität für alle Patienten erheblich verschlechtern würde.
"Die Dummen wären die Ärzte und Vertreter anderer Gesundheitsberufe"
Dass Privatversicherte (und damit ein Großteil der Beamten) mit ihrem tatsächlich kostendeckenden Beitrag eine hochwertige Ausstattung von Krankenhäusern und Arztpraxen ermöglichen, die allen Patienten – unabhängig von ihrem Versicherungsstatus – zur Verfügung steht, sei hier nur am Rande erwähnt.
Also: Finger weg von der Beihilfe! Und verschont uns künftig mit unausgegorenen und nicht zu Ende gedachten Vorschlägen zum Gesundheitssystem – noch dazu, wenn sie auf derart plumpe Art und Weise ein Thema in den bevorstehenden Wahlkampf hieven sollen. Wie heißt es in Goethes Drama "Torquato Tasso" doch so treffend: Man merkt die Absicht und man ist verstimmt!