Formfehler auf Rezepten: Kassen lassen Apotheker bluten

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Das Entgegenkommen, vom Arzt unvollständig oder unkorrekt ausgefüllte Rezepte anzunehmen, bringt Apotheker in Bedrängnis. Vor allem Ersatzkassen haben sich auf die sog. Retaxation eingeschossen, voran die DAK.

Das Problem ist nicht neu: "Kassen schikanieren Apotheker", hieß es 2012 in der Pharmazeutischen Zeitung. "Retax ist Kassensport", meldete kürzlich der Branchennewsletter Apotheke Ad-hoc.

Jens Spahn hatte sich bereits in seiner Funktion als gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag dafür ausgesprochen, Sanktionen gegen unberechtigte Retaxationen zu prüfen. Getan hat sich allerdings bis heute nichts. Nach einer Umfrage des Kölner Instituts für Handelsforschung sehen 78  % der Apotheker das Thema auch für dieses Jahr als bedeutsam an.

Gesetzliche Krankenkassen haben das Recht, Apotheker wegen der Abrechnung unkorrekt ausgefüllter Rezepte in Regress zu nehmen. Das Problem ist jedoch, dass einige Kassen verstärkt selbst bei kleinsten Formfehlern Geld zurückfordern. Und das sowohl für die Bearbeitung als auch für das abgegebene Medikament.

Regresse pro Rezept von Cent- bis zu fünfstelligen Eurobeträgen sind auf der Tagesordnung und so manchen Apotheker bringt das im Einzelfall an den Rand der Existenz.

Apotheker erbittet Hilfe von Bundestagsabgeordnetem

Wolfram Schmidt, Chef der Mühlen-Apotheke in Northeim, reicht’s. Er hat sich – auch im Namen vieler Kollegen – in einem offenen Brief an Dr. Roy Kühne, Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Gesundheitsausschusses, gewandt.

Seine Bitte: Setzen Sie sich dafür ein, dass das Problem durch den Gesetzgeber geregelt wird. Den Krankenkassen soll untersagt werden, "wegen geringer formaler Fehler die Zahlung unzweifelhaft erbrachter Leistungen zu verweigern".

Wie Schmidt gegenüber Medical Tribune erklärt, wird z.B. der nicht ausgeschriebene Vorname des Arztes auf dem Arztstempel als Fehler gesehen, ebenso die fehlende Telefonnummer der Praxis. Mancher Doktor vergisst auch, die lebenslange Arztnummer und die Betriebsstättennummer anzugeben.

Weitere Versäumnisse von Verordnern sind, dass bei T-Rezepten nicht drei Kreuze an den entsprechenden Stellen zu Sicherheitsbestimmungen gemacht werden. Druckt die Software ein Medikament zwei Mal, muss zusätzlich hinter beiden Zeilen ein maschinelles "!" stehen.

Auch wenn per Praxissoftware "2x" bei zwei verordneten Packungen gedruckt wird, aber nicht zusätzlich noch ein "!", ist das ein Fehler. Ebenso falsch ist es, wenn auf einem BtM-Rezept "laut schriftlicher ärztlicher Dosierung" steht, anstatt "gemäß schriftlicher ärztlicher Anweisung".

Es sind vor allem die im Bereitschaftsdienst, als Praxisvertretung oder in Krankenhausambulanzen tätigen Ärzte, "die häufig kleinere, aber für eine ordnungsgemäße Versorgung nicht relevante Fehler machen", so Schmidts Erfahrung.

"Bei konsequenter Beachtung aller Formalien würde das mit Sicherheit dazu führen, dass an einem Sonntag 50 % der Rezepte nicht beliefert werden", schreibt er an den Abgeordneten. "Die Situation ist untragbar", klagt der Apotheker. Besonders ärgert es ihn, dass selbst bei einer nachträglichen Korrektur der Formfehler ein Regress nicht zurückgenommen wird.

2014 prüfte die Fachabteilung Taxation des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg 9231 von den Kassen beanstandete Rezepte. Dabei zeigte sich, dass knapp zwei von drei Retaxationen unberechtigt waren. 416.473 Euro wurden von den Kassen zurückgeholt.

Gespräche abgebrochen – Schiedsstelle am Zug

Der Gesetzgeber hat das Problem längst erkannt. Per Versorgungsstärkungsgesetz sollten sich deshalb der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband – der übrigens mangelnde Aktualität der Verordnungssoftware als Ursache der Probleme ausgemacht hat – zum Prozedere bei Retaxationen einigen.

Termin ist Ende Januar. Die Gespräche wurden jedoch schon vorzeitig abgebrochen. Jetzt wird die Schiedsstelle entscheiden müssen – oder der Gesetzgeber spricht endlich ein Machtwort.


Quelle: Medical-Tribune-Bericht