Gentest gegen Nebenwirkungen: Fachgesellschaften raten zur Vorsorge bei 5-FU

Die Onkologie sei in den letzten zehn Jahren von Fortschritten im Arzneimittelbereich „fast gesegnet“ gewesen, erklärte Professor Dr. Bernhard Wörmann, Berlin, Medizinischer Leiter der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO), in einer Online-Pressekonferenz. Es gebe bessere Ansprechraten und bessere Heilungsraten. Jetzt könne auch die genetische Diagnostik zum Nutzen des Patienten eingesetzt werden.
Empfehlungen wegen Krise nur „leise aufgenommen“
Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz eines Gentests, der schwere Nebenwirkungen bei Fluoropyrimidin-haltigen Arzneimitteln wie 5-Fluorouracil (5-FU) vorhersagt. Die europäische Arzneimittelagentur EMA, konkret das Komitee für Sicherheit, habe am 20. März eine Empfehlung dazu veröffentlicht, dass alle Patienten vor einer systemischen Therapie mit den FU-haltigen Arzneimitteln 5-Fluorouracil, Capecitabin und Tegafur auf einen DPD-Mangel getestet werden sollten, so Prof. Wörmann. Diese Empfehlungen seien in internationalen Leitlinien berücksichtigt und auch in den Fachinformationen der betroffenen Arzneimittel. Allerdings seien sie „vielleicht etwas leise aufgenommen worden, weil die Veröffentlichung mit dem Beginn der Coronapandemie zusammengefallen ist“.
Nutzen-Risiko-Bilanz
Genvariante verantwortlich für schwere Komplikationen
Wie die Onkologin berichtete, ist die Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD) das Schlüsselenzym für die Fluoropyrimidin-Toxizität. Varianten im Dihydropyrimidin-Dehydrogenase-Gen (DPYD) seien für 20 bis 60 % der Nebenwirkungen verantwortlich, die in seltenen Fällen bis zu Multiorganversagen und Tod führen könnten. Die Patienten litten sehr an den Nebenwirkungen, sie könnten aufgrund von Schmerzen im Mund schlecht essen, es würde blutiger Durchfall auftreten und Blasenbildung an den Händen. In 5 % der Fälle seien die schwerwiegenden Folgen mit stationärem Aufenthalt verbunden. „In 30 % der Fälle könnte eine Testung diese Nebenwirkungen vermeiden“, erläuterte die Ärztin. Die Testung sei deshalb obligat.Die Empfehlungen aus dem Positionspapier:
- Patienten sollen vor einer FU-haltigen Therapie auf die vier häufigsten, genetischen DPYD-Varianten getestet werden.
- Das Ergebnis der genetischen Analyse ist Basis eines differenzierten, risikoadaptierten Algorithmus mit Empfehlungen zur Therapie mit FU-haltigen Arzneimitteln. Die genetische Analyse kann durch therapeutisches Drug Monitoring ergänzt werden.
- Die Umsetzung der Therapieempfehlungen muss unter Berücksichtigung der individuellen Erkrankungssituation und der möglicherweise vorhandenen Therapiealternativen erfolgen.
- Die Testung muss qualitätsgesichert durchgeführt werden. Das Ergebnis soll innerhalb einer Woche vorliegen. Das Ergebnis der Testung ist prädiktiv für die Durchführung der geplanten Chemotherapie und damit obligater Bestandteil der personalisierten Therapieplanung.
Quelle: DGHO-Pressekonferenz