Seelische Gesundheit „Geredet wird nur über das, was gelingt“
„Die Krisen türmen sich vor uns auf und niemand kann sich davon freimachen. Wir können uns nicht immer schützen davor, dass seelische Probleme uns überwältigen und dann manchmal auch in einer psychischen Erkrankung münden.“ So formulierte der Vorsitzende des Aktionsbündnisses, Prof. Dr. Arno Deister, bei der Eröffnung der Woche der Seelischen Gesundheit in Berlin. „Wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir uns gegenseitig besser helfen können, unsere mentale Gesundheit zu schützen.“ Dementsprechend lautete das Thema der Aktionswoche: „Reden hebt die Stimmung – Seelisch gesund in unserer Gesellschaft“.
Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach bestätigte das in seinem Grußwort. Er lebe am Prenzlauer Berg in Berlin. Hier werde viel darüber gesprochen, was gelinge, aber weniger über Krisen, Probleme und Bedrohungen, die eigentlich mehr Resilienz der Gesellschaft erforderten. Depressionen müssten viel selbstverständlicher thematisiert werden, betonte der Minister. „Wir müssen endlich entstigmatisieren, insbesondere dort, wo es am schwersten fällt, beispielsweise bei den schizoiden Erkrankungen.“ Hier sei die Bereitschaft, über diese Krankheiten zu sprechen, noch viel weniger ausgeprägt. Das BMG werde das Programm Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen mit 2,5 Mio. Euro unterstützen.
Seelische Gesundheit ist der wichtigste Teil der Gesundheit
„Die seelische Gesundheit ist der wichtigste Teil unserer Gesundheit“, so der Arzt. Er lobte, dass die Veranstalter trotz vielfachen Negierens einer Seele in der Gesellschaft den Mut hätten, von der Seele zu sprechen, dass man die Probleme nicht materialistisch reduziert auf die Psyche sehe, sondern die seelische Gesundheit im Vordergrund stehe. „Das finde ich wichtig und ausgezeichnet.“ Er habe große Hochachtung für das Aktionsbündnis.
Es gehe außerdem darum, psychische Auswirkungen frühzeitig zu erkennen, Krisendienste auszubauen, rasch zu helfen und zu behandeln. Dazu verwies Prof. Lauterbach u.a. auf den geplanten Aufbau weiterer Gesundheitskioske in sozialen Brennpunktgebieten.
„Wir müssen aber auch die Versorgung dort verstärken, wo sie eigentlich schon längst stattfinden müsste“, so der Minister. Menschen mit komplexen Störungen gingen noch oft im Drehtüreffekt aus der klinischen Versorgung kurz in den ambulanten Bereich, wo es wenige Versorgungsangebote gebe, sodass sie dann doch wieder in die Klinik zurückkämen. 1000 neue Sitze für Psychotherapeuten in den letzten Jahren hätten das Problem nicht lösen können.
Dr. Kirsten Kappert-Gonther, stellv. Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag und Abgeordnete von Bündnis90/Grüne, machte deutlich, dass es ebenso stark auf Prävention ankomme, darauf, „wie wir wohnen, wie wir leben, wie wir unsere Freizeit verbringen“. Gesundheit entscheide sich immer im Alltag und an den Möglichkeiten der Teilhabe. Dies habe sogar einen relevanten Einfluss auf seelische Gesundheit. Und es betreffe politische Entscheidungen. „Wir wissen ja auch, dass Armut krank macht und Krankheit arm.“ Aber auch die Chancen, miteinander in Beziehung zu treten, spielten eine sehr große Rolle. Dass das Aktionsbündnis ebenso Fragen der sozialen Gerechtigkeit in den Blick nehme, hob die Politikerin, die 25 Jahre psychiatrisch-psychotherapeutisch tätig war, lobend hervor.
Quelle: Woche der Seelischen Gesundheit 2022