Häufigere Prüfung von krankgeschriebenen Hartz-IV-Patienten
Die Neuregelung, die auf einer Vereinbarung zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem GKV-Spitzenverband beruht, ist zum 1.4.2013 in Kraft getreten. Wenn Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten bestehen, müssen die Mitarbeiter des Jobcenters künftig die jeweilige Krankenkasse informieren. Diese wiederum entscheidet, ob der MDK eingeschaltet wird bzw. ob von diesem die Arbeitsunfähigkeit zu überprüfen ist.
Eine Arbeitsunfähigkeit ist nach § 275 SGB V in Zweifel zu ziehen, wenn:
a) Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b) die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Zwar konnten Mitarbeiter von Jobcentern oder Arbeitsagenturen bei Zweifeln schon immer die Krankenkassen einschalten. Mit der Vereinbarung zwischen Bundesagentur für Arbeit und GKV-Spitzenverband wurde jetzt aber ein Prozedere festgelegt, dem die Mitarbeiter von Jobcentern zu folgen haben.
Hartz-IV: Wann arbeitsunfähig?
Die Vereinbarung wurde geschlossen, nachdem der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im September 2012 die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien geändert hat (Medical Tribune berichtete). Seit dem 8.9.2012 sind Ärzte u.B. verpflichtet, bei Patienten mit Hartz-IV-Bezügen zu überprüfen, ob diese mehr als drei Stunden täglich arbeitsfähig sind bzw. an einer Eingliederungsmaßnahme teilnehmen könnten. Erst wenn der Arzt dies verneint, darf er sie arbeitsunfähig schreiben.
Einfach dürfte die Beurteilung nicht immer sein. Andererseits gilt grundsätzlich: Erstellt der Arzt eine unrichtige AU-Bescheinigung, verstößt er gegen seine Berufspflicht zur gewissenhaften Ausübung des ärztlichen Berufes. Unter Umständen macht er sich gegenüber dem Arbeitgeber und der Krankenkasse des Patienten schadensersatzpflichtig.
Auch bei zu Unrecht krankgeschriebenen Hartz-IV-Empfängern kann ein finanzieller Schaden entstehen. Diese Personen stehen durch die unberechtigte AU der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung und beziehen Leistungen, ohne dadurch die geforderte Gegenleistung („Ein-Euro-Job“, Wiedereingliederungsmaßnahmen etc.) erbringen zu müssen.
260 Euro für Hausbesuch eines MDK-Mitarbeiters bei Hartz-IV-Empfänger
Die Änderungen der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien wurden von Ärzten kritisiert, dennoch erhielten sie am Ende den Segen des Bundesgesundheitsministeriums. Dafür, dass der Medizinische Dienst der Krankenkassen checkt, ob ein Versicherter arbeitsunfähig ist oder nicht bzw. ob der behandelnde Arzt eine korrekte Bescheinigung ausgestellt hat, zahlt das Jobcenter fest vereinbarte Kostenpauschalen an die Kasse.
Dabei wurden in der Vereinbarung vier verschiedene Fälle festgelegt:
- Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nach Aktenlage > 130 Euro
- Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nach persönlicher Befunderhebung in der MDK-Beratungsstelle >210 Euro
- Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nach persönlicher Befunderhebung im Hausbesuch >260 Euro
- Beurteilung der Notwendigkeit einer persönlichen Befunderhebung nach Aktenlage (Vorprüfung) in Fällen, in denen der Versicherte nicht zur Begutachtung erscheint > 75 Euro
Quelle: Bundesagentur für Arbeit
Arzt erhebt Einspruch? MDK überprüft erneut!
Stellt der MDK fest, dass die AU-Bescheinigung unberechtigterweise ausgestellt wurde, wird der Arzt informiert. Dieser hat dann die Möglichkeit Einspruch einzulegen. Dies hat zur Folge, dass die Krankenkasse den MDK erneut mit der Prüfung beauftragt bzw. eine zweite Prüfung durchführen lässt.
Fraglich ist, wie der MDK objektiv feststellen möchte, ob es sich bei dem krankgeschriebenen Hartz-IV-Empfänger um einen „Blaumacher“ handelt oder nicht. Egal, ob hier nach Aktenlage entschieden wird oder sich ein MDK-Mitarbeiter zu einem Hausbesuch aufmacht.
„Atteste und Krankschreibungen stellen die niedergelassenen Ärzte unter medizinischen Gesichtspunkten aus. Die Bundesagentur für Arbeit darf hier nicht übers Ziel hinausschießen und durch bürokratische Kontrollmaßnahmen ungerechtfertigtes Misstrauen gegen die Ärzteschaft schüren“, kommentierte KBV-Vorstandschef Dr. Andreas Köhler die Vereinbarung zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem GKV-Spitzenverband. „Im Übrigen ist es verwunderlich, dass die Bundesagentur viel Geld für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen aufwenden will, der sogar für die Entscheidungen nach Aktenlage bezahlt werden soll.“
Im März 2013 waren nach einem Bericht des „Handelsblatts“ 68 000 Hartz-IV-Empfänger krankgeschrieben.