Hausarzt schreibt Satiregedicht über Medizinermangel – und wird als „Gefährder“ eingestuft

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla

Alles andere als ein Liebesgedicht verfasste ein Allgemeinmediziner aus Regensburg. Alles andere als ein Liebesgedicht verfasste ein Allgemeinmediziner aus Regensburg. © iStock/Santje09; MT

Auf die drohende medizinische Unterversorgung aufmerksam zu machen – das war Ziel eines Regensburger Allgemeinarztes, als er ein Satiregedicht schrieb. Wenig später machte die Kriminalpolizei in seiner Praxis einen „Gefährder-Check“.

Ein vierzeiliges Gedicht an die Bayerische Staatskanzlei (siehe Kasten) bescherte Dr. Hans Peter Ferstl einen Besuch von der Kriminalpolizei. Die prüfte, ob es sich bei dem Verfasser um einen Gefährder des Staates handelt. Der Regensburger Allgemeinarzt hatte jedoch keinerlei bedrohliche Absichten. Er wollte lediglich auf den Versorgungsnotstand in Franken aufmerksam machen – der Region, aus der Ministerpräsident Dr. Markus Söder und die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml stammen.

Medibusse dienten als Inspiration für das Werk

Mehr als 20 Schreiben, in denen er an die beiden appelliert hatte, etwas gegen den Ärztemangel auf dem Land zu tun, waren schlichtweg ignoriert worden. Deshalb griff der Mediziner zu satirischen Worten – die jedoch als Bedrohung interpretiert wurden. Über die Absicht hinter den Zeilen wurde Dr. Ferstl von zwei Kriminalpolizisten befragt, die ihn unangekündigt in seiner Praxis aufsuchten: „Was meinen Sie mit Skalpell?“

Der Mediziner verwies darauf, dass die Deutsche Bahn angekündigt hatte, Medibusse betreiben zu wollen. Für Dr. Ferstl widerspricht dieses Angebot jedoch der bay­erischen Verfassung. Diese sieht vor, dass die Lebensbedingungen in der Stadt und auf dem Land gleich sein sollen. Nach seiner Erklärung sei die Erheiterung der Polizisten groß gewesen, berichtet der Mediziner. Sie seien insgesamt höflich mit ihm umgegangen.

Es fährt ein Zug nach Nirgendwo,
mit dir und mir als Passagier.
Mit viel Skalpell und Aspirin,
fährt er auch bald nach Franken hin.

Der Arzt warnt seit vielen Jahren davor, dass die Versorgung auf dem Land zusammenbrechen wird. Er betrachtet die Reaktion der Staatskanzlei als einen Versuch, ihn einzuschüchtern. „Es war ein Warnschuss. Bis hierhin und nicht weiter, wollte man mir sagen.“ Dr. Ferstl ist seit Langem politisch für die Belange von Ärzten und Patienten aktiv. 1996 engagierte er sich mit Dr. Carl Rauscher gegen die ICD-Codierung von Diagnosen. Auch in seinem Versorgungsgebiet leis­tet er vollen Einsatz: Als zwei Praxen in seiner Nähe auf Privatpatienten umstellten, behandelte er täglich 300 Patienten – bis er wegen der hohen Arbeitslast Herzprobleme bekam und die Sprechstundenzeiten reduzieren musste, berichtet er.

Arzt fühlt sich in Freiheit der Meinung beeinträchtigt

Angesichts des Einsatzes, den er zeigt, um die medizinische Versorgung zu erhalten, ist Dr. Ferstl über die Einstufung als Gefährder empört: „Ich persönlich sehe mich als engagierter, über Missstände aufklärender Bürger und Arzt durch dieses völlig unverhältnismäßige Vorgehen der Bayerischen Staatskanzlei sowie des Bayerischen Innenministeriums in meiner demokratisch verbürgten Meinungsfreiheit beeinträchtigt.“ Ob er noch als Gefährder gilt und man juristisch gegen ihn vorgehen wird, weiß der Arzt nicht. Einstellen will er sein Engagement keinesfalls.

Medical-Tribune-Bericht