KBV-Vertreterversammlung: Gegen den "Arzt light", für eine Weiterbildungsstiftung

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Keine drei Stunden dauerte die öffentliche Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Vorfeld des 117. Deutschen Ärztetages in Düsseldorf. Dann war alles gesagt und beschlossen.

Kritische Fragen oder Einwände gab es keine – weder zum EBM noch zur geplanten paritätischen Zusammensetzung der Vertreterversammlung.

"Das Schiff KBV hat die Stürme der vergangenen Jahre überstanden. Sacharbeit steht wieder im Vordergrund und das ist gut so", freut sich der Vorsitzende der Vertreterversammlung, Dipl.-Psych. Hans-Jochen Weidhaas.

Die Sitzung verlief in solch ausgesprochener Harmonie, dass sich die Journalisten laut wunderten – und KBV-Vize Regina Feldmann sich veranlasst sah, zu betonen, dass die Hausärztefraktion nie das KV-System habe spalten wollen, es sei stets um die Interessenvertretung der Gruppe gegangen.

Im September soll die Vertreterversammlung über eine Änderung der Satzung beraten und beschließen, stellte VV-Chef Weidhaas in Aussicht.

Trennung Haus-/Fachärzte in KVen: Nur mit Änderung des SGB V möglich

KBV-Chef Dr. Andreas Gassen gab sich zuversichtlich, "dass wir eine gemeinsame Lösung hinbekommen". Eine wortgetreue Umsetzung der Parität wie sie im Koalitionsvertrag vorgesehen sei, sei mit dem geltenden Rechtsrahmen allerdings nicht machbar. Hierzu müsste dies SGB V geändert werden.

Die KBV-Vorstand und Vertreterversammlung widmeten ihre Erregung lieber einer äußeren Bedrohung: neuen Bachelorstudiengängen zu Assistenzberufen, die am Ende aber auf einen "Arzt light" hinauslaufen, wie VV-Vize Dr. Stefan Windau warnte.

KBV verärgert über Bachelor-Studiengang "Physician Assistance"

Konkreter Anlass ist ein zum Wintersemtester 2014/15 beginnender Bachelor-Studiengang Physician Assistance an einer privaten Hochschule. Nach 8 Semestern soll der Physician Assistant z.B. in Polikliniken, im Operationsdienst oder im vor-  und nachstationären Bereich Erst-Anamnese mit körperlicher Untersuchung vornehmen, Verdachtsdiagnosen ausarbeiten, kleine Eingriffe auf Anordnung des Arztes vornehmen, den Arzt von administrativen und Dokumentationsaufgaben entlasten u.v.m.

Zwar heißt es in der Studiumsbeschreibung, dass die Letztverantwortung in der Patientenbehandlung beim Arzt bleibt, aber damit gaben sich KBV-Delegierte nicht zufrieden. Sie folgten einem Antrag der KBV-Führung, der explizit von Bundesärztekammerpräsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery unterstützt wurde.

BÄK und KBV sollen gemeinsam Rahmenvorgaben für die Ausbildung und den Einsatz von "nichtärztlichem akademisierten Personal" schaffen, die jede Substitution ärztlicher Leistungen verhindert. Delegation ja, Substitution nein, war das gemeinsame Credo. Die Zeit eilt, machte KBV-Vize Regina Feldmann klar, denn die ersten solcher Assistenten haben ihre Ausbildung schon beendet.

Im Interesse der KBV ist es vielmehr, wenn Jung-Ärzte verstärkt die Arbeit in den Praxen kennenlernen. Da kommt ihr eine Umfrage des Marburger Bundes entgegen, in der MB-Mitglieder der klinischen Weiterbildung ein schlechtes Zeugnis ausstellen.

KBV möchte ab 2015 ambulante Weiterbildung ausbauen

Die KBV möchte die Politik dafür gewinnen, ab 2015 die ambulante Weiterbildung nach dem Vorbild der Förderung der allgemeinmedizinischen Weiterbildung auszubauen. Dazu schlägt sie die Bildung einer Stiftung nach dem Muster der IQWiG-Stiftung vor.

GKV und PKV sollen über einen "Systemzuschlag" Geld bereitstellen, das über die KVen an die Weiterzubildenden und Weiterbildungsstätten weitergeleitet würde.

"Spekulativ" überschlägt Feldmann das benötigte Volumen auf 500 Millionen Euro. Davon würde 150 Millionen (derzeit 100 Millionen) Euro für die Allgemeinmedizin verwendet, der Rest für jene fachärztlichen Disziplinen, die ambulante Weiterbildungsabschnitte anbieten können, die in der Klinik fehlen.

Laut Feldmann würde die maximale Dauer einer ambulanten fachärztlichen Weiterbildung ein halbes Jahr betragen. Wobei noch offen ist, ob überhaupt die Kapazität für eine solche Ausbildung vorhanden wäre oder diese erst stufenweise aufgebaut werden müsste. An der Stiftung sollen Vertreter von GKV, PKV, KBV, Krankenhausgesellschaft und BÄK beteiligt werden. Ein bürokratisches Monstrum werde dies keineswegs, betonte Feldmann.

EBM-Reform: Gesprächsbudget nicht ausgeschöpft, mehr Geld für Chronikerpauschalen

Kurz ging Feldmann in der VV-Sitzung auf die ersten Ergebnisse der EBM-Reform ein. Demnach ist der Leistungsbedarf im hausärztlichen Versorgungsbereich in den meisten KVen gesunken.

Bei den neu eingeführten geriatrie- und palliativmedizinischen Leistungen hätten die von den Kassen zusätzlich zur Verfügung gestellten Gelder (125 Mio. Euro) nicht gereicht. In allen KVen zeigte sich eine Unterfinanzierung, d.h. ein Teil der Leistungen wurde nur quotiert bezahlt. Das soll bei künftigen Honorarverhandlungen auf Bundes- und Landesebene beachtet werden.

Bei den Gesprächsleistungen schöpft die Hälfte bis drei Viertel der Ärzte das Gesprächsbudget nicht aus. Bezogen auf alle hausärztlichen Behandlungsfälle beträgt die Häufigkeit der Abrechnung eines "ausführlichen Gesprächs" (EBM-Nr. 03230) knapp ein Drittel bis knapp die Hälfte.

Handlungsbedarf gibt es laut Feldmann bei den Chronikerpauschalen. Der Leistungsbedarf IV/13 sei im Vergleich zum Vorjahresquartal in allen KVen gesunken. Er lag um gut 10 % unter dem Simulationsergebnis. Das lag vor allem an der Bewertung des Chronikerzuschlags mit mindestens zwei Arzt-Patienten-Kontakten. Der GKV-Spitzenverband habe einer Erhöhung von 15 auf 17 Euro zum 1. Juli 2014 zugestimmt.

Vorschläge für die zweite Stufe der EBM-Reform für Hausärzte

Für die zweite Stufe der EBM-Reform im hausärztlichen Bereich gibt es folgende Vorschläge:


•    Eine Definition des hausärztlichen Versorgungsauftrages im Bundesmantelvertrag,

•    Erweiterung der Möglichkeit zur Delegation von Leistungen auch in nicht unterversorgten Gebieten,

•    Abbildung der Praxisausstattung zur Amortisation der Vorhaltefinanzierung

•    Schaffung einer Konsultationsposition.


Das die Einführung neuer Leistungen und Bildung von Leistungskomplexen Teil der zweiten Reformstufe werden, bezweifelt Feldmann.

Mit den nächsten EBM-Reformstufen soll es gelingen, Leistungen aus der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung auszubudgetieren, lenkte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen das Augenmerk auf die Notwendigkeit fester Preise.

Auch müssten "Unwuchten in den Fachgruppen" beseitigt werden. "Wir fordern angemessene und feste Preise für ärztliche und psychotherapeutische Leistungen. Wir wollen die Zeit, die die Ärzte für ihre Patienten aufwenden, aufwerten."

Exakte Forderungen für die anstehenden Honorarverhandlungen mit den Kassen nannte er nicht. Ein Inflationsausgleich sei eine Selbstverständlichkeit. Auch über die Bezahlung eines Zweimeinungsverfahrens will man reden. Dieses sei eine Erweiterung des Spektrums und im Bundesmantelvertrag nicht abgebildet.

EBM: Weiterentwicklung hinter verschlossenen Türen diskutieren

Der Weiterentwicklung des EBM will sich die KBV-Vertreterversammlung demnächst in nicht-öffentlicher Sitzung widmen.

Sollten die Praxen ihre Funktion als Altersvorsorge verlieren, wäre das ein "Skandal", sagte Dr. Gassen zu Vorab-Umfrageergebnissen des mit dem NAV-Virchow-Bund gestarteten Ärztemonitors 2014.

Zwar sei die Praxis nach wie vor das "Maß aller Dinge", nur 10 % der Befragten arbeitet angestellt. Allerdings plane etwa jeder Vierte, seine Praxis in den nächsten fünf Jahren abzugeben. Die Hälfte davon suche bereits einen Nachfolger. Davon hatte wiederum fast jeder Zweite bislang keinen Erfolg. Drei Viertel all derer, die aktiven einen Nachfolger suchen, empfinden die Suche als sehr oder eher schwierig.