Keine neue Fesseln für den zukünftigen Allgemeinmediziner

Gesundheitspolitik Autor: Ruth Bahners, Foto: thinkstock

Die Medizinstudierenden lehnen Pflichtzeiten und Landarztquoten zur Förderung der Allgemeinmedizin ab. Sie wollen lieber die Vermittlung von Allgemeinmedizin während des Studiums.

Mit dem "Masterplan 2020" werden sich Mitte dieses Jahres die Gesundheits- und die Kultusminis­ter der Länder befassen. Das Medizinstudium muss neu geordnet werden. Schwerpunkte sollen die gezielte Auswahl der Studierenden, die Förderung der Praxisnähe sowie die Stärkung der Allgemeinmedizin sein. Die Erhöhung der Zahl der Studienplätze ist noch offen.

Kein Interesse an einem weiteren PJ-Pflichtquartal

Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) spricht sogar von einem "Schicksalsjahr". Sie ist überzeugt, dass das Medizinstudium durch eine Stärkung der Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr (PJ) und in der abschließenden Staatsexamens-Prüfung künftig praxisnäher werden könnte und damit der wichtigen Rolle der Allgemeinmedizin in der Versorgung gerecht wird. Sie schlägt als notwendige Maßnahme unter anderem ein PJ-Quartal Allgemeinmedizin vor, damit alle Studierenden einen vertieften Einblick in die primärärztliche Versorgung erhalten.

Die Studierenden stimmen mit dem Masterplan insoweit überein, als dass neben der Abiturnote auch Medizinertests, Freiwilligendienste und Berufsausbildungen in Gesundheitsberufen einbezogen werden sollten. Ein neues PJ-Quartal Allgemeinmedizin aber wollen sie nicht. "Einen weiteren Pflichtabschnitt lehnen wir strikt ab", teilte Lauritz Blome, Bundeskoordinator für Gesundheitspolitik der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland, bei der Ärztekammerversammlung in Düsseldorf mit.

Durch Pflicht könnten die Nachwuchssorgen in der Allgemeinmedizin nicht gelöst werden. Als Beispiel nannte Blome die Chirurgie. Diese habe gleichfalls immense Nachwuchsprobleme, obwohl jeder Medizinstudent vier Monate in diesem Fach ableisten müsse.

Ein anderes Förderinstrument könnte die sog. Landarztquote werden. Dabei sollen 10 % der Medizinstudienplätze für jene Studierenden reserviert werden, die sich vertraglich verpflichten, nach der Facharztweiterbildung für eine bestimmte Anzahl von Jahren als Landarzt zu arbeiten.

Rechtlich wäre eine solche Quote möglich, wenn sie gesetzlich verankert würde und kein Tauschgeschäft für eine unzureichende fachliche Eignung sei, erläuterte Dr. Frank Stollmann vom Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen.

Studenten für langfristige Patenschaften mit Hausärzten

Doch auch davon halten die Studierenden nichts. "Unmöglich", meinte Blome, dass ein 17-Jähriger ad hoc eine solche Entscheidung treffen könne, die elf Jahre seines künftigen Lebens umspanne.

Stattdessen fordern die Studierenden, die Allgemeinmedizin stärker ins Studium zu integrieren, zum Beispiel durch Lehrveranstaltungen, die über mehrere Semester hinweg ins Curriculum eingebunden werden. Auch frühzeitige Schwerpunktsetzungen in sog. Hausarzt- oder Landarzttracks sowie Patenschaftsmodelle zwischen Studierenden und Hausärzten, die über das gesamte Studium beibehalten würden, sehen die Studierenden als hilfreich an.

In den Ruf der Kammerversammlung Nordrhein nach mehr Studienplätzen in der Medizin stimmten die Studierenden ebenfalls nicht ein. Blome verwies darauf, dass es in Deutschland eine der höchsten Arztdichten in Europa gebe. "Bei einem relativen Ärztemangel in einzelnen Fächern hilft keine Studienplatzerhöhung", meinte der Studierendenvertreter. Er schlägt vor, das Auswahlverfahren zum Studium zu ändern.

Damit die Studierenden bestmöglich an die hausärztliche Tätigkeit herangeführt werden, verlangt die Kammerversammlung Lehrstühle für Allgemeinmedizin an allen deutschen Fakultäten.


Quelle: Medical-Tribune-Bericht