MB fordert Tarifvertrag für angestellte Ärzte
Nach Angaben der Bundesärztekammer sind fast 21 000 Ärzte als Angestellte im ambulanten Bereich tätig. Davon rund 9000 Ärzte in freier Praxis und fast 10 000 in Medizinischen Versorgungszentren und Polikliniken. Unter den restlichen 2000 sind auch die Weiterzubildenden erfasst.
Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes, hat den Vertretungsanspruch des MB klar formuliert: „Wir brauchen einen Vertrag für die Tätigkeit in der ambulanten Praxis. Die Kollegen dort werden manchmal ordentlich, manchmal unordentlich und manchmal richtig schlecht vergütet. Aber sie alle werden vergütet, ohne dass es dafür einen Tarifvertrag gibt!“
Weiterbildungszeit in der Klinik wird besser vergütet
Ansetzen will der MB bei den Weiterbildungsassistenten. Denn hier bestehe eine Diskrepanz zwischen den Tarifgehältern von Weiterzubildenden im Krankenhaus und den Gehältern im ambulanten Bereich. Ein Arzt in der Weiterbildung im ersten Jahr an einer kommunalen Klinik erhält nach Angaben des MB ein Bruttomonatsgehalt von rund 4000 Euro. Im dritten Jahr seiner Berufstätigkeit verdient er etwa 4400 Euro, im vierten Jahr 4700 Euro. In der Praxis erwarte ein vergleichbarer Arzt rund 1000 Euro weniger.
Der MB beruft sich auf einen Beschluss des Ärztetags 2013 in Hannover. Darin heißt es, dass den Weiterzubildenden in einer ambulanten Weiterbildungsstätte garantiert werden müsse, dass sie mindestens die gleichen tariflichen Konditionen wie an einer stationären Weiterbildungsstätte vorfinden. Dazu soll mit dem MB ein Vertrag geschlossen werden. „Für die arbeitgeberseitige Vertragspartnerschaft“ sollen die KBV und die betroffenen ärztlichen Verbände ein „funktionsfähiges Organisationsmodell“ entwickeln.
KVen taugen nicht als Arbeitgebervertretung
Doch mit der Funktion als Arbeitgebervertreter tun sich sowohl das KV-System als auch die ärztlichen Berufsverbände schwer. „Für die KBV und die KVen kommt eine solche Funktion nicht infrage. Wir vertreten alle Ärzte in den Praxen“, betont KBV-Sprecher Dr. Roland Stahl. Und bei der Aus- und Weiterbildung sehe die KBV eine andere Priorität, und zwar die Integration der ambulanten Versorgung in die Hochschulmedizin. Die großen Verbände wie Hartmannbund und NAV-Virchowbund haben schon abgewunken. Auch die Fachverbände wollen nicht.
Dr. Andreas Gassen, Vorsitzender des Spitzenverbands der Fachärzte (SpiFa), lehnt die Einführung von Tarifverträgen für angestellte Ärzte, insbesondere Weiterbildungsassistenten, grundsätzlich ab. Er hält eine 1:1-Übertragung einer Tarifpartnerschaft, wie sie in Kliniken gelebt wird, auf die verschiedenen Formen der Praxen für nicht durchführbar.
„Praxen und MVZ sind in der Leistungserbringung gedeckelt. So ist es mehr als fraglich, ob sich Gehaltsvorstellungen, etwa des Marburger Bundes, von oder nahe an Oberarztgehältern für angestellte Ärzte tatsächlich in der Praxis verdienen lassen“, erklärt Dr. Gassen, niedergelassener Orthopäde in Düsseldorf, gegenüber Medical Tribune.
Der SpiFa als fachübergreifender Verband sieht sich auch nicht in der Rolle des Arbeitgebervertreters. Dr. Gassen: „Im Klinikbereich verhandelt der MB mit Ländern, Kommunen oder kirchlichen Trägern direkt. Diese müssen die verhandelten Tarifsteigerungen in ihre Haushalte einstellen – und selbst sie bekommen Tariferhöhungen nicht vollständig refinanziert. Die Ansprechpartner für die Praxisinhaber wären die Krankenkassen.“
Mit ihnen würde man unter der Maßgabe der gesetzlichen Restriktionen verhandeln. Eine Anhebung des Beitragssatzes sei eine politische Entscheidung. Scheitere hieran eine Finanzierung angestellter Ärzte würde dies das Arbeitsklima in der ambulanten Medizin belasten.
Konfliktpotenzial könnte einen Verband zerreißen
Auch seien die Bedingungen für „Tarif“-Verhandlungen durch SGB V, EBM und Honorarverteilungsmaßstäbe regional und fachbezogen begrenzt, sodass ein Dachverband niemals die Interessen heckenschnittartig über Fachgrenzen hinweg tariflich verhandeln könne. Das würde einen solchen Verband rasch zerreißen.
„Der SpiFa ist überzeugt“, so Dr. Gassen, „dass die Ärzte nach der Weiterbildung die eigene Praxis – in welcher Form der Gemeinschaft auch immer – anstreben. Damit dies so bleibt, sieht der SpiFa seine Aufgabe weniger in der Führung von Tarifverhandlungen, sondern in der Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Führung einer einzelwirtschaftlichen Praxisform.“
„Unser Hausärzteverband ist vom Studenten über den Weiterzubildenden und Weiterbilder, auch angestellte Ärzte, bis zum Ruheständler die Heimat der Hausärzte“, betont Dr. Dirk Mecking, Vorsitzender des nordrheinischen Hausärzteverbands. Auch aus ordnungspolitischen Gründen lehnt er einen Tarifvertrag ab.
„Als freier Beruf wollen wir den Weg einer Selbstverpflichtung der Weiterbilder gegenüber den Weiterzubildenden gehen und im Verbund mit anderen Berufsverbänden wollen wir dazu Empfehlungen geben“, so Dr. Mecking. Dies umfasse neben der Qualität der Ausbildung und gegenseitigem Respekt auch die Garantie einer angemessenen Bezahlung. Dies sei z.B. bei Rechtsanwälten gut geübte Praxis und passe besser zum Freiberufler als ein Tarifvertrag.
MB: Mit Absichtserklärungen ist es nicht getan
„Unverbindliche Absichtserklärungen helfen den Ärzten nicht weiter“, hält der MB dagegen. Sie müssten sich auf Tarifverträge berufen können, die einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber, sei es der Praxisinhaber oder der MVZ-Betreiber, begründen.
Was die Finanzierung der Weiterbildung angeht, verweist der MB auf den Beschluss des Ärztetages. Danach soll der zusätzliche Aufwand, den eine Weiterbildungsstätte neben der Vergütung von Weiterzubildenden hat, durch einen Zuschlag zum Orientierungswert vergütet werden. Die Finanzierung müsse dauerhaft aus dem Gesundheitsfonds und somit aus Mitteln der GKV erfolgen.
In den Krankenhäusern hat der MB nach eigenen Angaben einen Organisationsgrad von 60 bis 70 %. Viele Ärzte blieben MB-Mitglied auch nach einem Wechsel als Angestellter in die ambulante Versorgung. Der MB will daher sein Augenmerk verstärkt auf die Vertretung dieser Gruppe in den KVen, speziell in den Vertreterversammlungen, legen.
Der Weg zum Tarifvertrag – drei Fragen an die ArbeitsrechtlerinDr. Silke Seeger, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Köln, erläutert den Weg zum Tarifvertrag.
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