Herausforderung Neue Drogen, neue Gefahren!

Kolumnen Autor: Raimund Schmid

Bisher war in Hausarztpraxen – was die Betreuung von Drogenpatienten betrifft – alles recht klar geregelt. Es gab Allgemeinärzte, die Konsumenten von illegalen Drogen behandelten, und es gab andere, die dies ablehnten. Die Praxen mit Drogenpatienten, die primär Substitutionstherapien anboten, hatten auch ihren Praxisablauf klar geregelt, um möglichen Konfrontationen mit anderen Patienten aus dem Weg zu gehen.

Immer mehr Substanzen

Mit dieser Klarheit scheint es nunmehr vorbei zu sein. Denn der Markt der illegalen und legalen Drogen verschwimmt zusehends und erschwert es so den Allgemeinärzten, diesen klaren Kurs weiter zu verfolgen. Die Anzahl neu gemeldeter psychoaktiv wirkender Substanzen (NPS) erklimmt immer wieder neue Rekordhöhen. Zwischen 2005 und 2013 sind 317 neue Substanzen identifiziert worden – davon 81 allein im Jahr 2013. Auf diese alarmierenden Trends hat nun Ralf Wischnewski, Suchtexperte bei der Drogenhilfe Köln, beim bundesweiten Kongress für Jugendmedizin 2015 in Weimar hingewiesen. Doch worum handelt es sich nun konkret bei den NPS, die auch als „Legal Highs“ bezeichnet werden und nach deren Konsum zum Teil lebensgefährliche Vergiftungen auftreten können. Hier kann es speziell zu Kreislaufversagen, Ohnmacht, Psychosen, Wahnvorstellungen, Muskelzerfall bis hin zu drohendem Nierenversagen kommen. Dabei werden Mediziner – primär im kardiovaskulären, neurologischen und psychiatrischen Feld – mit immer neuen Substanzen konfrontiert, weil bereits aus dem Drogenmarkt oder aus der medizinischen Forschung bekannte synthetische psychoaktive Substanzen immer wieder leicht verändert werden, um der Gesetzgebung zu entgehen. Sie werden als „Badesalze“, „Räuchermischungen“ oder „Dünger“ über das Internet angeboten und in bunten und professionell gestalteten Tütchen mit immer neuen Wirkpotenzen vertrieben. Weist eine Substanz in ihrer molekularen Struktur nur kleinste Änderungen auf, unterliegt sie nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Herstellung, Besitz, Vertrieb und Weitergabe sind somit nicht unter Strafe gestellt. Auch der Versuch, den Vertrieb dieser Substanzen über das Arzneimittelgesetz zu regulieren, ist bislang gescheitert. Aktuell kann der Gesetzgeber so dem Handel über das Internet nur wenig entgegensetzen.

Wachsam sein

Ärzte und Drogenberater stehen damit vor einem Dilemma, dem sie kaum gerecht werden können. Umso wichtiger wird es sein, in Zukunft gerade bei jüngeren Patienten mit unklaren kardiovaskulären und/oder neurologischen/psychiatrischen Symptomen und negativem Drogenscreening auch stets daran zu denken, dass eine Intoxikation mit neuartigen psychoaktiven Substanzen vorliegen kann. Dafür muss man als Arzt entweder die wichtigsten Substanzklassen und ihre Wirkungen kennen. Da dies angesichts der rasanten Entwicklung nicht immer möglich sein wird, sollte man eine gezielte toxikologische Analyse durch ein Labor oder ein rechtsmedizinisches Institut in Auftrag geben. Das alles muss sich aber erst einspielen. Es wird daher noch eine ganze Weile dauern, bis Allgemeinärzte mit den Drogenabhängigen der neuen Generation ihre Linie gefunden haben und auch hier einen klaren Kurs steuern können, meint

Ihr

Raimund Schmid

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (6) Seite 31
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.