Ungemütliche Zeiten Neue Kostenwelle rollt unaufhaltsam auf uns zu

Gesundheitspolitik , Kolumnen Autor: Raimund Schmid

© fotolia - vege

Was waren das zuletzt im Gesundheitswesen doch vergleichsweise goldene Zeiten. Zumindest auf den ersten Blick. Sämtliche Finanztöpfe waren mit bis zu 30 Mrd. Euro gut gefüllt.

Die von keiner Seite geliebte Praxisgebühr ist abgeschafft. Die auch nicht von allen Seiten goutierten Rabattverträge haben allein im Jahr 2014 zu einem Einsparpotenzial von über 3 Mrd. Euro geführt. Und die Politik hat die Zeichen der Zeit erkannt und bringt derzeit gleich 5 Gesetzesvorhaben auf den Weg, die bis 2019 über 10 Mrd. Euro an Mehrausgaben verursachen werden. Gemeint sind das Versorgungsstärkungsgesetz, das Krankenhaus-Strukturgesetz, das Präventionsgesetz, das E-Health-Gesetz sowie das Hospiz- und Palliativgesetz. Positiv für Ärzte ist dabei insbesondere, dass ein Teil der Gelder des Versorgungsstärkungsgesetzes in bessere Weiterbildungsmöglichkeiten für Allgemeinärzte und grundversorgende Fachärzte fließen wird. Da ist das Geld aus Sicht der Hausärzte ja wirklich mal gut angelegt.

Nicht alles ist rosig

Doch auf den zweiten Blick sieht die Gesundheitswelt zumindest aus Sicht der Patienten nicht mehr ganz so rosig aus: Denn seit Jahren müssen Versicherte höhere Zuzahlungen leisten, zuletzt im Jahr 2014 über 2 Mrd. Euro. Dies liegt vor allem an der Festbetragspolitik der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die die Festbeträge für Arzneien ständig absenkt. Nur noch die Preise von 3 500 Medikamenten fallen damit unter die Befreiungsgrenzen und sind so zuzahlungsfrei. 522 Millionen von insgesamt 1,4 Mrd. Arzneien haben die Bundesbürger 2014 zudem auf eigene Rechnung erwerben müssen. Auch dafür müssen Versicherte immer tiefer in die Tasche greifen. Da Patienten mit den Rabattarzneien auch nicht wirklich glücklich sind und viele dieser Arzneien als zweite Wahl ansehen, sind sie immer häufiger gezwungen, den Aufpreis zu ihrem bewährten Präparat selbst zu bezahlen.

Der Beitragssatz wird steigen

Der dritte Blick, der in die Zukunft gerichtet ist, lässt Schlimmes befürchten. Für das Jahr 2060 sagt das Wissenschaftliche Institut der PKV für die soziale Pflegeversicherung einen Beitragssatz von sage und schreibe 5,5 % voraus. Doch bleiben wir in der Gegenwart. Schon 2016 wird nach Schätzungen des GKV-Spitzenverbands der Beitragssatz um 0,11 bis 0,3 % aufgrund von zum Teil massiv steigenden Kosten in den Krankenhäusern und für neue Arzneimittel steigen. Bis 2019 dann im Weiteren um 1,4 bis 1,8 % – von 14,6 % auf dann also über 16 %! Das wird die Gemüter deshalb so erregen, weil diese Mehrausgaben zum ersten Mal in der Geschichte der GKV von den Versicherten allein über den Zusatzbeitrag geschultert werden müssen, da am Arbeitgeberbeitrag von derzeit 7,3 % nicht gerüttelt werden darf. Das wird sich sicher ein Teil der Versicherten ohne Probleme leisten können. Ein anderer Teil jedoch wird daran schwer zu knabbern haben, zumal ja auch die Zuzahlungen für Arzneimittel weiter steigen dürften. Die Politik wird daher über kurz oder lang handeln und den eingefrorenen Arbeitgeberbeitrag wieder zur Disposition stellen müssen. Sonst wird es mit den ruhigen Zeiten schnell wieder vorbei sein. Denn wenn es für Versicherte wieder ungemütlich wird, drohen auch der Politik und damit natürlich auch den (Haus)Ärzten wieder sehr viel ungemütlichere Zeiten, fürchtet

Ihr

Raimund Schmid

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (12) Seite 37
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.