Diabetologie unter Druck Reformansätze zeigen „viele Einzelmaßnahmen, aber kein Gesamtbild“

Gesundheitspolitik Autor: Angela Monecke

CGM, virtuelle Diabeteszentren und umstrittene Gesetze: Vertreter:innen aus der Politik, von Krankenkassen und Industrie sowie Menschen mit Diabetes und Diabetes-Teams diskutierten aktuelle Herausforderungen in der Versorgung. CGM, virtuelle Diabeteszentren und umstrittene Gesetze: Vertreter:innen aus der Politik, von Krankenkassen und Industrie sowie Menschen mit Diabetes und Diabetes-Teams diskutierten aktuelle Herausforderungen in der Versorgung. © Mike Fuchs

Immer mehr Menschen mit Diabetes werden künftig von immer weniger Fachpersonal versorgt. Was kann die digitale Versorgung hier leisten und wer bezahlt sie am Ende?

Das Dilemma ist offensichtlich, so Prof. Dr. Bernd Kulzer, Moderator beim diatec-Forum: Zwar gebe es immer mehr und bessere Diabetestechnologie, dies aber treibe die Ausgaben der Versicherungen in die Höhe. Die Kostensteigerung der kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) versus Blutzuckermessung lag in den letzten fünf Jahren in Deutschland bei einer halben Milliarde Euro, ergänzte Dr. Christian Graf von der Barmer. 

Bei der digitalen Versorgung müsse man endlich „die Sektorengrenzen aufbrechen“, so Dr. Graf. Durch einen „digitalen Zulassungsstatus“ von Fachkliniken etwa könne man die digitale Präsenz (per Video) von Ärzt:innen und z. B. Diabetesbera-ter:innen 24/7 ermöglichen sowie virtuelle Diabeteszentren schaffen. Zudem müsse eine bundesweite digitale Schulungsoption etabliert werden. 

Obwohl Pumpen- und AID-Systeme kein Einweisungsgrund seien, zeige sich immer wieder, dass Diabetespatient:innen stationär aufgenommen werden müssten, weil in den Praxen die Expertise fehle. Eine vorstationäre Behandlung wäre hier sinnvoll, sei digital aber nicht möglich, kritisierte Dr. Graf. 

Ambulante und stationäre Diabetologie im Dilemma

„Momentan diskutieren wir ,Wie retten wir den Status quo in der Diabetologie?‘ und nicht ,Wie könnten wir die Zukunft gestalten?‘“, erläuterte er u. a. mit Blick auf die Krankenhausreform, bei der die Dia­beteskliniken schlicht „vergessen“ worden seien. Der niedergelassene Bereich werde vom Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz bedroht. Mit Kampagnen halten die Verbände der ambulanten und stationären Diabetologie (BVND, BVKD) dagegen. 

Die DMP bezeichnete Dr. Graf als die erfolgreichste neue Versorgungsform, vor allem beim Diabetes. Rund 60 % der Menschen mit Diabetes (knapp 4,7 Mio. Versicherte) seien in die DMP eingeschrieben, welche nachweislich die Mortalität und diabetesbedingte Folgekomplikationen wie Amputation, Dialysepflicht und Erblindung deutlich senkten. „Erhebliche Defizite“ sieht er u. a. in der fehlenden strukturierten (datengestützten) Kommunikation zwischen Haus- und Fachärzt:innen sowie Krankenhaus und weiteren Behandelnden. Die Reformansätze zeigten „viele Einzelmaßnahmen, aber kein Gesamtbild“. Einerseits seien digitale Schulungen möglich, sechs neue DMP (z. B. zu Herzinsuffizienz, Depression, Adipositas) stünden bereit, die Einführung des digitalen DMP sei beschlossen. Andererseits fehlten Vorschläge zur sektorenübergreifenden Versorgung (z. B. des Zulassungsstatus analog des § 140a). Diese Prozesse müssten „grundlegend überdacht werden“.  

Im Diabetesbereich werde die digitale Versorgung schon gut genutzt, bei der Vergütung müsse man allerdings weiterkommen, etwa bei den CGM-Systemen, sagte Tino Sorge, Leiter des Gesundheitsausschusses des Bundestages. Die Diabetologie wird nach Aussage von Dr. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE, aufgrund des Reformdrucks von Existenzängsten geplagt. Sorge appellierte deshalb an die Szene: „Treten Sie uns Politiker:innen beim Thema Diabetes immer wieder auf die Füße.“ 

Quelle: diatec-Forum