Beim ersten „Battle of Experts” gibt es einen klaren Favoriten

Diabetes Kongress 2024 Antje Thiel

Beim „Battle of Experts” wurden auf wissenschaftlicher Ebene die Klingen gekreuzt. Beim „Battle of Experts” wurden auf wissenschaftlicher Ebene die Klingen gekreuzt. © Warunporn – stock.adobe.com

Körperliche Aktivität ist einer der Basisbausteine einer jeden Behandlung bei Diabetes oder Adipositas. Allerdings scheuen viele Menschen sportliche Anstrengung und möchten ihren Extrakilos lieber mit GLP1-Rezeptoragonisten (GLP1-RA) zu Leibe rücken. Und auch in der Fachwelt sind sich nicht alle einig, welche Therapieform den meisten Erfolg verspricht. Oder etwa doch? Das sollte der „Kampf der Expert*innen” zeigen.

Ein kontroverses Thema, bei dem zwei starke Stimmen für konträre Positionen argumentieren. Ein Publikum, das nach einer kritischen Fragerunde per Beifall über die überzeugendere Position abstimmt. Darum ging es bei dem Format „Battle of Experts“, das in diesem Jahr erstmals im Programm des Diabetes Kongresses zu finden war.

Im Kampfring standen sich zunächst Professor Dr. Dr. Christine Joisten von der Sporthochschule Köln und Professor Dr. Matthias Blüher vom Universitätsklinikum Leipzig gegenüber. Ihr Thema: Mit welcher Methode gelingt es besser, Übergewicht zu reduzieren – mit Sport oder mit der sogenannten „Abnehmspritze“, also GLP1-RA wie z. B. Liraglutid?

Für Prof. Joisten ist körperliche Aktivität ein Grundpfeiler in der Therapie des Typ-2-Diabetes: „Bewegung ist etwas Omnipotentes, von dem ganz viele verschiedene Körpersysteme profitieren.“ Sie setze kurze inflammatorische Reize frei, die sich unmittelbar und auch langfristig positiv auf die Organsysteme auswirken. Dabei gehe es nicht zwingend um Sport, den leider viele Menschen mit unangenehmen Erinnerungen an Hänseleien beim Schulsport verbinden. Körperliche Aktivität sei „jede Form von Kalorienverbrauch, die durch Muskeltätigkeit verursacht wird“, sagte die Sport- und Ernährungsmedizinerin.

Durch Bewegungsreize – neben sportlicher Aktivität auch Alltagsbewegung wie Treppensteigen oder kurze „Excercise Snacks“ – ließen sich unmittelbar spürbare Effekte erzielen. „Man kann leichter aufstehen, hat ein besseres Körpergefühl – und erwähnte ich bereits die Endorphinausschüttung?“, meinte Prof. Joisten. Und während es beim Abnehmen ohne Sport immer auch zu einem hohen Verlust an Muskelmasse komme, könne man mit Bewegung auf längere Sicht auch eine verbesserte Körperzusammensetzung erreichen, „all das leistet ein Medikament nicht.“

Sport ist mal Regionalliga, mal Bundesliga

Wenn es um die körperliche und psychische Gesundheit geht, bewege man sich mit Sport ganz sicher in der Bundesliga. In Bezug auf die reine Gewichtsabnahme spiele Sport allerdings eher in der Regionalliga, gab Prof. Joisten zu, „doch Spritze statt Sport ist ein Abstieg auf Raten.“ Die besten Chancen für Therapieerfolge auf dem Niveau der Champions League habe man mit einer Kombination aus Sport und Abnehmspritze, lautete ihr Resümee – auch wenn sie damit von ihrer strikten Position pro Sport und contra Spritze abwich.

Auch Prof. Matthias Blüher tat sich sichtlich schwer mit der Polarisierung, die seine Rolle als Fürsprecher der ausschließlich medikamentösen Therapie mit sich brachte. Als Leiter einer Adipositas-Ambulanz weiß er aber auch: „Der Stellenwert der Bewegungstherapie bei Typ-2-Diabetes ist unstrittig. Doch die meisten Patienten kommen zu uns, nachdem sie bereits erfolglos alles versucht haben.“ Im Direktvergleich zwischen Liraglutid und Sport führe die inkretinbasierte Therapie zu einer deutlicheren HbA1c-Reduktion und auch zu mehr Gewichtsverlust. Sein augenzwinkerndes Fazit: „Auch wenn unsere Herzen für den Sport schlagen, sollten unsere Hirne angesichts der Studienlage für die Spritze votieren.“ Doch auch er wandte ein: „Es gibt Daten, nach denen man noch bessere Erfolge erzielt, wenn man das Ganze kombiniert.“

Versöhnlicher Ausgang des „Battle of Experts“

Das Publikum quittierte den unterhaltsamen Zweikampf auf der Bühne immer wieder mit Applaus und Gelächter. Als isolierte Maßnahme zum Gewichtsverlust erhielt zwar der Sport mehr Zuspruch als die Spritze. Doch den meisten Beifall schenkte das Plenum der Kombination aus körperlicher Aktivität und medikamentöser Behandlung. Und auch der Sportmediziner Professor Dr. Othmar Moser von der Universitätsklinik Bayreuth, der die Sitzung moderierte und den Kontrahenten immer wieder möglichst zugespitzte Aussagen entlocken wollte, gab sich am Ende versöhnlich: „Eine Lifestyletherapie aus guter Ernährung und Bewegung, unterstützt durch medikamentöse Therapie, kann uns am besten gesund erhalten.“

Zweiter Battle of Experts: „Ernährung vs. Pille“

  • Nach demselben Muster duellierten sich beim zweiten „Battle of Experts“ Professor Dr. Stefan Lorkowski, Ernährungswissenschaftler an der Universität Jena, und der Endokrinologe Dr. Tim Hollstein vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Während Prof. Lorkowski die Bedeutung der Ernährungstherapie zur Reduktion von LDL-Cholesterin unterstrich, argumentierte Dr. Hollstein für die medikamentöse Lipidsenkung.
  • Anders als die Arzneitherapie habe eine ausgewogene Ernährung nach den neuesten Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) keine Nebenwirkungen, betonte Prof. Lorkowski. Er wies darauf hin, dass gesättigte Fette je nach individueller Körperzusammensetzung unterschiedlich wirken können. „Doch es gibt eine gute Datenlage, die für eine effektive Lipidsenkung durch den Verzehr von Getreide spricht.“
  • Dr. Hollstein hingegen unterstrich, dass Statine eine deutlich stärkere Senkung des LDL-Cholesterins ermöglichen als Ernährung allein, insbesondere nach kardiovaskulären Ereignissen, wenn es um die Prävention von Reinfarkten geht. „Außerdem kann nur eine aggressive medikamentöse Therapie effektiv Plaques verringern und die Gefäßstabilität verbessern“, hob er hervor.
  • Dr. Hollstein sprach sich daher für eine frühzeitige Statintherapie aus, wohingegen Prof. Lorkowski für die Ernährungsumstellung als Ersttherapie plädierte – wenngleich man mit Ernährungstherapie nicht alle Versäumnisse der Vergangenheit korrigieren könne.
  • Letztendlich votierte das Publikum auch beim Battle „Ernährung vs. Pille“ für eine Kombination aus Lebensstilanpassung und medikamentöser Behandlung, um Menschen ganzheitlich zu behandeln und zu betreuen. 

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Beim „Battle of Experts” wurden auf wissenschaftlicher Ebene die Klingen gekreuzt. Beim „Battle of Experts” wurden auf wissenschaftlicher Ebene die Klingen gekreuzt. © Warunporn – stock.adobe.com