Ärzt:innen stellen die falschen Fragen

Manuela Arand

Dass Ärzte oft nicht mitbekommen, dass ein Patient kurzatmig ist, liegt auch daran, dass sie die falschen Fragen stellen, meinte Prof. Currow. (Agenturfoto) Dass Ärzte oft nicht mitbekommen, dass ein Patient kurzatmig ist, liegt auch daran, dass sie die falschen Fragen stellen, meinte Prof. Currow. (Agenturfoto) © Vadim Pastuh – stock.adobe.com

Ärzte neigen dazu, Dyspnoe zu unterschätzen und sie weniger konsequent zu therapieren als chronische Schmerzen. Dabei beeinträchtigt das ständige Gefühl von Luftnot Betroffene oft stärker. 

Eine schwedische Doppelblindstudie verdeutlicht die Dimension, in der die Dyspnoetherapie vernachlässigt wird: 134 Kollegen bekamen fiktive Patienten vorgestellt und sukzessive immer mehr Informationen zu dem jeweiligen Fall. Der einen Gruppe hatte man Patienten mit chronischen Schmerzen, der anderen solche mit chronischer Atemnot zugeteilt, berichtete Prof. Dr. David Currow, Universität Wollongong. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Ärzte das Symptom Dyspnoe erkannten, war im Vergleich signifikant geringer (Odds Ratio, OR,  0,23), ebenso dass sie eine symptomatische Therapie anboten (OR 0,11) oder ein Opioid verordneten (OR 0,11).

Schwer Betroffene verschwinden oft vom Radar

In einem australischen Survey berichtete jeder zehnte von mehr als 10.000 Befragten über klinisch relevante Atemnot, entsprechend ≥ 2 Punkte im Modified Medical Research Council (mMRC). Bei der Hälfte von ihnen lag weder eine Herz- noch eine Lungenkrankheit vor, welche die Atemnot erklären konnte. Dyspnoische Patienten klagten gehäuft über einen schlechten Gesundheitszustand, Angstzustände und Depressionen. „Das ist eine hochsymptomatische Gruppe“, betonte der australische Palliativmediziner. „Wir sehen die Patienten bei Entlassung und denken: Das wird schon, aber das stimmt häufig nicht.“ Vor allem solche mit schwerer Atemnot verschwinden nach seiner Erfahrung vom Radar. Sie gehen nicht mehr zum Arzt und igeln sich ein.

Dass Ärzte oft nicht mitbekommen, dass ein Patient kurzatmig ist, liegt auch daran, dass sie die falschen Fragen stellen, meinte Prof. Currow. So werde die Frage nach Atemnot  vor allem von Männern meistens verneint. Besser sei es, sich zu erkundigen, welche Aktivitäten der Patient aufgeben musste, weil ihm dafür die Luft fehlt. 

Studienziele spiegeln zu wenig den Patientenalltag

Der Kollege kritisierte in diesem Zusammenhang die Therapieziele, die in Studien genutzt und auf den pneumologischen Alltag übertragen werden: Für Patienten sei es viel relevanter, ohne kurzatmig zu werden zum Briefkasten gehen oder eine Mahlzeit im Stehen zubereiten zu können, als ein Plus von 60 m im 6-Minuten-Gehtest zu erreichen.

Für die effektive Dyspnoetherapie  steht ein ganzer Werkzeugkasten zur Verfügung, ergänzte Prof. Dr. Rachael Evans von der Universität Leicester. Sie riet, mit den Basics zu beginnen. Sie lassen sich bereits im Gespräch leicht und schnell vermitteln, etwa: Schultern entspannt hängen lassen, ein imaginäres Rechteck entlang fahren und bei den kurzen Seiten ein- und den langen ausatmen oder das Gesicht mit einem Handventilator belüften. Am besten wirksam ist jedoch die pneumologische Reha, betonte die Pneumologin. Gemessen an der Ausdauerleis­tung schneidet sie in Studien mit Herzinsuffizienzpatienten fünfmal so gut ab wie ein ACE-Hemmer und in solchen mit COPD-Kranken dreimal so gut wie eine duale Bronchodilatation.

Während sich die Rehabilitation für jeden Patienten mit Atemnot  eignet, sollten Maßnahmen wie Sauerstoff- und Opiattherapie gezielt nur bestimmten Patientengruppen angeboten werden. „Wir müssen erst die Standardtherapie optimieren inklusive der Behandlung der Grundkrankheit. Dann denken wir mit aller gebotenen Vorsicht über den regelmäßigen Einsatz niedrig dosierter Opiate nach“, erklärte Prof. Currow. Als Prädiktoren für deren Erfolg haben sich ein junges Patientenalter, die Ausprägung der Dyspnoe sowie ein hoher BMI erwiesen. Nach Erfahrung des Kollegen sind Sicherheitsprobleme bei niedriger Dosis (< 30 mg orales Morphinäquivalent/d) und Retardformulierung kaum zu erwarten. Hinsichtlich Mortalität und Hospitalisierungsrisiko gebe es auf jeden Fall überzeugendere Daten als für Benzodiazepine.

Quelle: ERS* International Congress 2022 

* European Respiratory Society

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Dass Ärzte oft nicht mitbekommen, dass ein Patient kurzatmig ist, liegt auch daran, dass sie die falschen Fragen stellen, meinte Prof. Currow. (Agenturfoto) Dass Ärzte oft nicht mitbekommen, dass ein Patient kurzatmig ist, liegt auch daran, dass sie die falschen Fragen stellen, meinte Prof. Currow. (Agenturfoto) © Vadim Pastuh – stock.adobe.com