Afferente und efferente Störungen des Baroreflexes erkennen

Maria Weiß

Nach dem Aufstehen fällt der Wert um > 20/10 mmHg. Nach dem Aufstehen fällt der Wert um > 20/10 mmHg. © closeupimages – stock.adobe.com

Der Barorezeptor­reflex soll dafür sorgen, dass Blutdruck, -volumen und Herzfrequenz relativ konstant bleiben. Ist er funktionell gestört, lässt sich mit einfachen Maßnahmen gegenarbeiten. Doch auch neurologische Erkrankungen können den Signalweg beeinträchtigen.

Efferente Störungen

Efferente Störungen des Baroreflexes behindern die Freisetzung von Noradrenalin an den neurovaskulären Verbindungen, schreiben Forscher um den Neurologen Dr. Horacio­ Kaufmann­ von der New York School of Medicine in einem Übersichtsartikel. Dadurch kommt es zu einer insuffizienten Vasokonstrik­tion im Stand oder beim Aufstehen mit orthostatischer Hypotonie und Symptomen der Organhypoperfu­sion wie Schwindel, Verschwommensehen oder Synkopen. Häufig treten ebenfalls Dyspnoen, kognitive Verlangsamung und Müdigkeit auf. Die Symptome verschwinden in liegender Position wieder. Während der klinischen Untersuchung fällt vor allem ein Blutdruckabfall von mindestens 20/10 mmHg innerhalb von 3 min nach dem Aufstehen, manchmal auch verzögert, auf.

Wozu ist der Baroreflex gut?

Der Pressorezeptorreflex hat die Aufgabe, Blutdruck, Blutvolumen und Herzfrequenz trotz verschiedener Bedingungen in engen physiologischen Grenzen zu halten. Die Rezeptoren im Carotissinus und Aortenbogen reagieren auf Druckveränderungen; kardiopulmonale Barorezeptoren in thorakalen Venen und im Herzen auf Volumenveränderungen. Werden sie aktiviert, lösen sie ein negatives Feedback aus – efferente sympathische Neuronen werden gehemmt, es folgt eine Vasodilatation. Nur die arteriellen Barorezeptoren beeinflussen die Herzfrequenz

Geschädigte efferente Baroreflexneuronen findet man am häufigsten bei der diabetischen autonomen Neuropathie, gefolgt von Synukleinopathien, zu denen M. Parkinson, Lewy-Körperchen-Demenz und Multisystematrophie gehören. Die Störungen können bereits vor den typischen motorischen und kognitiven Defiziten auftreten und so die frühe Diagnose Synuklei­nopathie ermöglichen. Weitere organische Ursachen umfassen Amyloidose, Autoimmunmechanismen und seltene genetische Mutationen mit fehlerhafter Noradrenalinbildung oder -freisetzung. Kopfschmerzen, Flush und innere Unruhe Diagnostisch muss die neurologisch bedingte orthostatische Hypotonie vor allem bei älteren Patienten von anderen häufigen Ursachen wie Dehydratation, Blutung, Anämie oder Medikamenteneinfluss abgegrenzt werden. Einen wichtigen Hinweis gibt das Verhältnis von Herzfrequenzsteigerung zu systolischem Blutdruckabfall. Ein Wert < 0,5 weist auf die efferente Störung, da der reflektorische Anstieg der Herzfrequenz bei Blutdruckabfall ausbleibt. Auch ein reduzierter oder fehlender Blutdruckanstieg nach Valsalva-Manöver ist typisch für den gestörten Pressorezeptorreflex.

Afferente Störungen

Der hemmende Einfluss der Baro­rezeptoren auf sympathische Neuronen fehlt, sodass Noradrenalin ungezügelt freigesetzt wird. Es folgt eine Vasokonstriktion mit Blutdruckanstieg und Tachykardie. Entsprechende Symptome sind Kopfschmerzen, Flush und innere Unruhe sowie sehr instabiler Blutdruck über den Tag. Eine orthostatische Hypotonie kann ebenfalls auftreten, ist aber nicht immer vorhanden. Autonome Störungen meist ohne Nervenschädigung Erworbene afferente Störungen findet man z.B. bei geschädigten glosso­pharyngealen und vagalen Nervenfasern nach Halsbestrahlungen oder radikalen Tumoroperationen in diesem Gebiet – oder als Komplikation nach Eingriffen an der A. carotis und im Rahmen des Guillain-Barré-Syndroms. Kongenitale Ursache ist z.B. die familiäre Dysautonomie. Die meisten Patienten mit autonomen Störungen der Kreislaufregulation weisen jedoch keine Nervenschädigung auf. Zu solchen sehr häufigen funktionalen Störungen gehören z.B. die vasovagale Synkope und das posturale Tachykardie-Syndrom, das sich durch eine anhaltende Tachykardie nach dem Wechsel in eine aufrechte Position kennzeichnet. Auch die Takosubo-Kardiomyo­pathie ist durch eine ungezügelte sympathische Aktivierung charakterisiert. Im Falle funktionaler Störungen sollten die Patienten über die Harmlosigkeit, die Vermeidung von Triggern, das Erkennen von Vorzeichen und mögliche Gegenmanöver aufgeklärt werden. Ein regelmäßiges körperliches Training ergänzt die Maßnahmen. Gefahren unter Benzos und Fludrocortison beachten Gegen die orthostatische und postprandiale Hypotonie bei efferenten Störungen werden vor allem vasokonstriktive Medikamente wie Midodrin und Droxidopa oder der Noradrenalin-Reuptake-Inhibitor Atomoxetin eingesetzt. Cave: Alle bergen das Risiko, dass die Hypertonie im Liegen noch zunimmt, was die zusätzliche Gabe von Antihypertensiva notwendig machen kann. Eine weitere Möglichkeit bietet Fludrocortison, dass das intravasale Volumen erhöht. Zu den Langzeitrisiken gehören Herzinsuffizienz, renale Fibrose und vermehrte plötzliche Todesfälle im Schlaf. Benzodia­zepine können die adrenerge Aktivität dämpfen – man kauft sich aber ein erhöhtes Risiko für Atemdepressionen ein. Alternativen sind zentral wirksame α2-Agonisten (z.B. Clonidin oder Dexmedetomidin) oder der peripher wirkende Decarboxylase-Inhibitor Carbidopa.

Quelle: Kaufmann H et al. N Engl J Med 2020; 182: 163-178; DOI: 10.1056/NEJMra1509723

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Nach dem Aufstehen fällt der Wert um > 20/10 mmHg. Nach dem Aufstehen fällt der Wert um > 20/10 mmHg. © closeupimages – stock.adobe.com