Akutes Koronarsyndrom: Womit die Plättchen hemmen?

Dr. Anja Braunwarth, Foto: Nebari - Fotolia

Ohne Thrombozytenhemmung geht beim akuten Koronarsyndrom (ACS) gar nichts. Doch welches Medikament für welchen Patienten?

Nach der Zulassung von Prasugrel und Ticagrelor schien es fast, als würde Clopidogrel komplett an Boden verlieren. Ganz so einfach ist die Sache aber nicht. Das Team um Professor Dr. Andreas Schäfer von der Klinik für Kardiologie und Angiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover hat die entsprechenden Studien nun einmal genauer analysiert.

Weniger Re-Infarkte, aber mehr Blutungen

Die Zulassung von Prasugrel erfolgte nach der TRITON-TIMI-38-Studie*. Daran nahmen insgesamt 13 608 Patienten teil, es wurde separat nach instabiler Angina pectoris (iAP), Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und STEMI randomisiert. Die Analyse im Gesamtkollektiv ergab eine signifikante Reduktion des primären Endpunktes aus kardio­vaskulärer Mortalität, nicht letalem Myokardinfarkt und Schlaganfall unter Prasugrel ver­glichen mit Clopidogrel (um 23 % nach 30 Tagen, 20 % nach 90 Tagen, 19 % nach 15 Monaten).


Der Einsatz von Prasugrel halbierte zudem die Stentthromboserate. Allerdings kam es unter dem neueren Plättchenhemmer um ein Drittel häufiger zu schweren Blutungen, auch lebensbedrohliche und tödliche Hämorrhagien kamen öfter vor, nur bei intrakraniellen Hämorrhagien fanden sich keine Unterschiede.

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Die „Real-Life-Evaluierung“ von Ticagrelor fand in der PLATO-Studie** mit 18 624 Patienten statt, 38 % der Teilnehmer hatten einen STEMI, 43 % einen NSTEMI und 17 % eine instabile Angina pectoris. Der primäre Endpunkt war der gleiche (kardiovaskuläre Mortalität, nicht letaler Myokardinfarkt und Schlaganfall). Gegenüber Clopidogrel senkte ihn Ticagrelor nach zwölf Monaten signifikant um 16 %. Aber auch hier zeigten sich deutlich erhöhte Blutungsraten unter dem neueren Thrombozytenhemmer.


Betrachtete man isoliert STEMI-Patienten, fand sich für Prasugrel ein dauerhafter Vorteil gegenüber Clopidogrel, was nicht überrascht. Denn Letzteres wird von den Betroffenen schlecht metabolisiert und sie sprechen deshalb funktionell weniger darauf an. Ticagrelor erwies sich nicht als überlegen, sodass die Autoren bei STEMI Prasugrel als Mittel der Wahl nennen.

Prasugrel im Vorteil bei Diabetikern

Auch bei Diabetikern schnitt Prasugrel am besten ab, in dieser Patientengruppe reduzierte das Medikament den primären Endpunkt besonders ausgeprägt. Ticagrelor dagegen bot hier im Vergleich zu Clopidogrel keinen signifikanten Vorteil. Sowohl bei STEMI als auch bei Diabetikern schränken die Festbetragsgruppenbildungen die Therapiemöglichkeiten allerdings ein, bemängeln die Autoren.


NSTEMI-Patienten ohne Diabetes profitieren am meisten von Ticagrelor. Unter Prasugrel gab es hier  nur eine moderate Risikoreduktion bei erheblichem Anstieg gravierender Blutungen. Clopidogrel behält aber weiter einen Platz in der Therapie des akuten Koronarsyndroms – und zwar, wenn keine invasive Versorgung vorgesehen ist (in Kombination mit Acetylsalicylsäure). Außerdem bietet es bei Patienten nach Schlaganfall oder TIA die Option mit dem geringsten Risiko. Prasugrel ist nach Apoplex  oder TIA dagegen kontraindiziert.

Erhöhtes Risiko bei Einsatz vor Intervention

Auch bei Patienten ≥ 75 Jahre und solchen mit einem Körpergewicht < 60 kg bringt Prasugrel keinen Zusatznutzen, erklären die Autoren. Das Gleiche gilt für Ticagrelor mit Ausnahme der „Leichtgewichtigen“: Patienten unter 60 kgKG profitieren deutlich von der Therapie mit Ticagrelor, heißt es weiter. Diese Substanz erwies sich zudem als günstig bei eingeschränkter Nierenfunktion (MDRD < 60 ml/min).


Zurückhaltung mit Ticagrelor empfehlen die Kollegen bei AV-Block II °/III °, bradykardieinduzierten Synkopen ohne Schrittmacherschutz sowie (wegen der Nebenwirkung Dyspnoe) bei Patienten mit allergischem Asthma oder COPD. Grundsätzlich gilt für die beiden neueren Thrombozytenfunktionshemmer: Der Nutzen einer Behandlung vor Intervention hat sich nicht erwiesen, eventuell erhöht sich dadurch sogar das Blutungs-
risiko.


*    TRial to Assess Improvement in Therapeutic Outcomes by Optimizing Platelet InhibitioN with Prasugrel – Thrombolysis In Myocardial Infarction
**    Platelet Inhibition And Patient Outcome
Quelle: Andreas Schäfer et al., Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 152-158

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