Allergische Kolitis gibt es auch ohne IgE

Dr. Dorothea Ranft

In vielen Fällen sorgt der Verzicht auf Kuhmilchproteine nach ein paar Tagen wieder für Entspannung. In vielen Fällen sorgt der Verzicht auf Kuhmilchproteine nach ein paar Tagen wieder für Entspannung. © SDF_QWE – stock.adobe.com

Nahrungsmittelaller­gien, die nicht durch IgE vermittelt werden, treten insbesondere im Babyalter auf. Grundsätzlich sind zwei Formen voneinander abzugrenzen. Beide führen zu einer Kolitis, unterscheiden sich jedoch erheblich hinsichtlich des klinischen Verlaufs.

Die durch Nahrungsmittelproteine induzierte allergische Kolitis bei Säuglingen, kurz FPIAP*, manifestiert sich typischerweise im Alter von vier bis zwölf Wochen. Den Babys geht es gut, sie zeigen keine Gedeihstörungen. Aber sie setzen mehrmals täglich blutig tingierte Stühle ab, was ihre Eltern sehr beunruhigt. Manche befürchten sogar ein Karzinom, ­schreiben die beiden Pädiater Dr. ­Lars ­Lange und Dr. ­Stephan ­Buderus vom St. Marien-Hospital in Bonn. Blut in der Windel ist jedoch bei einem gesund wirkenden Säugling ohne Warnsignale primär nicht besorgniserregend, wie die Autoren b­etonen. 

Unreifes gastrointestinales Immunsystem als Ursache

In den meisten Fällen handele es sich um eine harmlose FPIAP, also eine allergisch bedingte Entzündung des Rektums, eventuell auch des dis­talen Sigmas. Auslöser ist eine immunologische Reaktion auf Nahrungsmittelproteine, meist aus der Kuhmilch. Sie kann auch bei (voll) gestillten Säuglingen auftreten, wenn die Mutter entsprechende Lebensmittel konsumiert hat. Als Ursache wird eine verzögerte Ausreifung des gastro­intestinalen Immunsystems diskutiert.

Normalerweise handelt es sich bei FPIAP um eine nicht durch IgE vermittelte Allergie. Symptome einer Anaphylaxie und andere Zeichen der Sofortreaktion fehlen. Eine entsprechende IgE-Allergiediagnostik (z.B. Pricktest) ist deshalb i.d.R. verzichtbar. Sofern der Säugling bereits ein atopisches Ekzem zeigt und/oder eine Atopie bei einem erstgradigen Verwandten vorliegt, sollte man den Test auf Kuhmilch jedoch durchführen.

Therapeutisch an erster Stelle steht der Verzicht auf Kuhmilch. Sis­tiert daraufhin die Hämato­chezie, gilt die FPIAP-Diagnose als gesichert. Meist tritt eine deutliche Besserung binnen 96 Stunden ein, im Einzelfall erst nach zwei bis vier Wochen. Bei gestillten oder kombiniert gefütterten Babys sollte man an weitere potenzielle Allergene denken, die die Mutter verzehrt hat (z.B. aus Ei, Soja, Weizen, Nüssen, Fisch).

Flaschenkinder werden auf eine extensiv hydrolysierte Formula- oder Amino­säurenahrung umgestellt. Bei ausschließlich gestillten Säuglingen sollte sich die Mutter kuhmilchproteinfrei ernähren. Nach vierwöchiger Symptomfreiheit bzw. deutlicher Besserung wird die allergische Kolitis durch eine häusliche Belastung mit Kuh- oder Muttermilchnahrung bestätigt. Die o.g. Ernährungsweise sollte mindestens drei bis sechs Monate beibehalten werden. Anschließend kann eine erneute Provokation zeigen, ob das Kind Kuhmilch mittlerweile toleriert. 

Eine weitere nicht-IgE-vermittelte Allergie ist das durch Nahrungsmittelproteine induzierte Enterokolitissyndrom (FPIES**). Diese schwere Erkrankung tritt in zwei Varianten auf: Das chronische FPIES kommt ausschließlich bei jungen Säuglingen vor. Sie reagieren meist auf eine kuhmilch- oder sojabasierte Formulanahrung, seltener auf mit der Muttermilch zugeführte Allergene wie Reis, Hafer oder Soja. Typisch sind Gedeihstörungen, intermittierendes Erbrechen und teils blutige Durchfälle bis hin zu einem sepsisähnlichen Bild mit lebensbedrohlicher Exsikkose. Im Gegensatz dazu manifestiert sich das akute FPIES überwiegend im ersten Lebensjahr. Betroffene Kinder reagieren auf  Nahrungsmittel, die sie nur hin und wieder verzehren. Ein bis zwei Stunden nach der Aufnahme kommt es wiederholt zu schwerem Erbrechen begleitet von Blässe, Apathie und Diarrhöen. Die Latenzzeit ist für die einzelnen Kinder spezifisch und nach Ingestion immer gleich lang.

Chronische Form durch Provokation bestätigen

Wenn die klinischen Kriterien für ein akutes FPIES erfüllt sind, kann man auf eine Provokationstestung verzichten. Im Gegensatz dazu lässt sich die chronische Form nur durch eine Allergenbelastung endgültig ­sichern, auf die jedoch angesichts der schweren Symptome zunächst meist verzichtet wird. Nach einer Allergenkarenz reagieren die chronisch kranken Kinder bei der nur stationär möglichen Provokation mit dem Vollbild der akuten Form. 

Die Auslöser eines akuten FPIES unterscheiden sich deutlich von denen einer klassischen IgE-vermittelten Allergie. Zahlenmäßig dominieren hierzulande Kuhmilch und Fisch. Auch Gemüse (v.a. Kartoffel, Kürbis und Karotte) sowie Rind- und Geflügelfleisch sind häufig. Ei oder Nüsse, typisch für eine IgE-vermittelte Allergie, führen dagegen nur selten zu einem FPIES. Außerdem reagieren die meisten Kinder lediglich auf ein einziges Lebensmittel. Die Mehrzahl entwickelt analog zu den IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien spontan eine Toleranz.

Während einer akuten Episode geht es v.a. darum, den Volumenmangel auszugleichen. Antihistaminika und Adrenalin sind nicht wirksam. Der Vomitus lässt sich mit Ondansetron rasch unterbrechen (off label!). Wegen der möglicherweise verlängerten QT-Zeit durch das Pharmakon wird vor Therapie­beginn ein EKG empfohlen.

* food protein-induced allergic proctocolitis
** food protein-induced enterocolitis ­syn­drome

Quelle: Lange L, Buderus S. Monatsschr Kinderheilkunde 2023; 8: 743-751; DOI: 10.1007/s00112-023-01778-8

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


In vielen Fällen sorgt der Verzicht auf Kuhmilchproteine nach ein paar Tagen wieder für Entspannung. In vielen Fällen sorgt der Verzicht auf Kuhmilchproteine nach ein paar Tagen wieder für Entspannung. © SDF_QWE – stock.adobe.com